„In Ostfriesland gibt es nichts Vergleichbares“

Der neue Direktor der Ostfriesischen Landschaft ist seit 100 Tagen im Amt

Von Ina Wagner

Aurich. Dr. Matthias Stenger (Jahrgang 1976) ist ein Historiker, der in der ostfriesischen Kulturszene bestens vernetzt ist. Nach fast zehn Jahren als Leiter des Ostfriesischen Teemuseums in Norden hat er nicht nur die kleinen und großen musealen Einrichtungen der Region kennen gelernt, sondern auch die Institution der Ostfriesischen Landschaft, für die er schon vor Jahren als Berater in den Wissenschaftsausschuss berufen wurde.

Vor dem Portal des Landschaftsgebäudes in Aurich: Dr. Matthias Stenger. Bild: Wagner

Da machte es aus seiner Sicht Sinn, sich auf die frei gewordene Stelle des Landschaftsdirektors zu bewerben. Nachdem der langjährige Direktor der Ostfriesischen Landschaft, Dr. Rolf Bärenfänger, in den Ruhestand getreten war, und es rund 20 Bewerbungen um die Position gegeben hatte, war es Stenger, der gewählt wurde. Sein Amt trat er am 1. Januar an.

Dabei konnte der gebürtige Aschaffenburger, der jetzt seit 100 Tagen im Amt ist, seine neue Aufgabe übernehmen, ohne in Norden „Altlasten“ zu hinterlassen. Denn es war ihm gelungen, bis zum Dezember 2020 an seiner vorherigen Wirkungsstätte den Umbau des Teemuseums so abzuschließen, wie er sich das vorgenommen hatte. „Ich habe in Norden also kein offenes Ende hinterlassen.“ Als Direktor des traditionsreichen Höheren Kommunalverbandes mit seiner Vielfalt an Abteilungen kann der Historiker nunmehr feststellen: „Es ist eine attraktive Position. In Ostfriesland gibt es nichts Vergleichbares.“

Er könne auf ein sehr gutes Team vertrauen, dessen fachliche Kompetenz einhergehe mit einem guten Miteinander auf der menschlichen Ebene. „Gearbeitet wird mit Herzblut, Offenheit gegenüber Veränderungen und der Bereitschaft, Neues zu denken.“

Zu diesen Veränderungen gehört es zum Beispiel, die Facebook-Aktivitäten der Ostfriesischen Landschaft mit einem neuen Konzept zu versehen. So wird täglich von montags bis freitags ein Blick hinter die Kulissen des Einrichtung gestattet, aber auch über aktuelle Neuigkeiten informiert. Dabei stellt sich der Kommunalverband in der ganzen Breite seines Tätigkeitsbereiches dar: aktuelles Unterrichtsmaterial des Regionalen Pädagogischen Zentrums findet sich ebenso wie die Provenienzforschung zu über 500 Objekten aus China oder die Vorstellung von Objektes aus dem eigenen Bestand – archäologische Fundstücke, Bücher oder Sammlungen. Die Aktivitäten für das Plattdeutsche nicht zu vergessen. Das verstärkte Engagement bei Facebook sei aber nur ein erster Schritt, kündigt der neue Landschaftsdirektor an. Auch weitere soziale Medien sollen in den Blick genommen werden.

Ihn stellt zufrieden, dass das öffentliche Interesse an den Tätigkeiten seines Haus riesengroß ist. Und es soll noch größer werden, „Wir hoffen da auf ein Schneeballsystem.“ Auch die Homepage der Landschaft soll sich verändern und eine übersichtlichere Benutzerführung erhalten.

Doch mit Veränderungen im Informationsbereich ist Stenger, der von sich sagt, er sei ein „Freund von Deadlines“, noch lange nicht am Ende. Denn ihm obliegt es auch, das neue Magazin in der Auricher Kaserne einzurichten und mit den Mitarbeitern den Umzug vorzubereiten. Es geht dabei nicht allein um den archäologischen Bestand, sondern auch um Bücher und Akten, um den Kostümfundus, Fotosammlungen und so manch anderes, was aufbewahrt werden muss. „Es läuft im Augenblick in den Abteilungen vieles parallel.“

Ein anderes Thema, dass den neuen Landschaftsdirektor schon lange beschäftigt, ist die Anerkennung der Teekultur als immaterielles Kulturerbe. Dazu wird es am 2. Juni ein Symposium geben, um die Verknüpfung von Kulturerbe und Kulturtourismus zu beleuchten.

Natürlich stehen auch Kooperationen auf seiner Agenda, um Synergien zu nutzen. In Emden hat er da unter anderem die Johannes a Lasco Bibliothek, die Hochschule Emden/Leer oder auch das Ostfriesische Landesmuseum im Blick. Die geplante Neuaufstellung des Landesmuseum (wir berichteten) erfreut ihn dabei besonders. „Das Haus hat Potential“, befindet er knapp und baut schon einmal gedanklich eine Vision. Was wäre, wenn man das Regionalmuseum auf das Niveau der Kunsthalle heben könnte? „Jede Stadt muss doch schauen, dass sie ihre Vorzüge ins rechte Licht rückt“, meint er und befürwortet diesbezüglich auch das Kulturmarketing. Eine Besucherbefragung, die in Norden durchgeführt wurde, ergab, dass Gäste sich einen Dreiklang aus Museumsbesuch, Einkaufen und guter Gastronomie wünschen. Es sei wichtig, diese drei Elemente gleichermaßen zu berücksichtigen.

Matthias Stenger hat in Erlangen, Rom, Tübingen und Coimbra in Portugal studiert und im Fach Geschichte promoviert. Das Thema seiner Doktorarbeit fand er – nach einem Sprachstudium von nur drei Semestern – in Portugal: „Transnationale Parteienzusammenarbeit: Die Beziehungen der deutschen und portugiesischen Christlichen Demokraten von der Nelkenrevolution bis zum Vertrag von Maastricht (1974 bis 1992)“ Inhaltlich geht es dabei um Außenpolitik, die über deutsche Parteistiftungen umgesetzt wird.