Das Richtrad von Emden

„Kultur in Emden“ berichtete vor einigen Tagen in einer historischen Miszelle über einen Mord auf dem Deich bei Petkum in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Im Zusammenhang mit der Sühne des Mordes kam das Ostfriesische Landesmuseum in den Blick. Eine Nachfrage.

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Emden.
Der Schutzjude Levi Borchers, der auf dem Fußweg von Minden nach Emden war, wurde am 3. Dezember 1749 ermordet und ausgeraubt. Die umfangreichen untersuchungen der Gerichtsbarkeit fixieren sich schnell auf den gewalttätigen Albert Ruiter aus Petkum. Er wird inhaftiert und exekutiert – mit einem Rad, das sich bis heute im Ostfriesischen Landesmuseum befinden soll, so der Petkumer Orts-Chronist Rieke Gerjets Janßen in seiner Orts-Chronik von 2002. Gibt es im Museum ein solches Rad? Und kann es sich um das Exekutionsgerät gehandelt haben?

Wurde der Mörder Albert Ruiter mit diesem Rad hingerichtet? Bild: Jahn

In der Tat. Es befindet sich dort ein Rad, das auf das Jahr 1750 datiert ist, wie der ehemalige Direktor des Ostfriesischen Landesmuseums und Rüstkammer-Experte Dr. Wolfgang Jahn, bestätigt.

Das 14 Kilo schwere Rad besteht aus Eichenholz und Eisen, und verfügt neben zwei Haltegriffe über einen eisernen Keil, mit dem die Knochen des Verurteilten gebrochen wurden. Daneben muss es aber, so sagt Jahn, noch ein weiteres, größeres Rad gegeben haben, das wohl auch bei der Vollstreckung des Todesurteils an Albert Ruiter zum Einsatz kam. Es diente dazu, den Delinquenten „aufs Rad zu flechten“, um ihm dann zur Abschreckung für jedermann sichtbar auf einen Pfahl zu befestigen und auszustellen.

„Das Emder Richtrad ist eines der wenigen, die sich überhaupt erhalten haben“, erläutert Jahn. Ob es nun aber wirklich jenes Rad war, mit dem man dem Albert Ruiter gefoltert hat, ist zwar nicht verbrieft, könnte aber aufgrund der zeitlichen Koinzidenz möglich sein.

Vor der Durchführung des Todesurteils Mitte Juli 1750 stand übrigens eine akribische Untersuchung des Falls, für die sich die Justiz viel Zeit ließ. Ende Dezember 1749 findet man unter den Sachen des Albert Ruiter – aber erst nach dreimaliger Untersuchung seiner Wohnung – nicht nur die Kleidung, die Schuhe und Schuhschnallen von Borchers, sondern auch drei seiner Uhren und die vom Finger und aus den Ohren herausgeschnittenen Ringe.

Die Urteilsfindung, so beschreibt es Rieke Gerjets Janßen, zieht sich weiter hin. Das Verfahren ist umständlich, denn eigentlich muss, so die damalige Rechtslage, der Täter an den Ort des Verbrechens zurückgebracht und dort abgeurteilt werden. In der Herrlichkeit gibt es aber keine Gefängniszelle.

Ende März 1750 ist immer noch kein Urteil gefällt worden, und Albert Ruiter sitzt immer noch in einer Zelle im Emder Rathaus. Sein Verteidiger, der Jurist Dr. Staa, plädiert auf Totschlag bei verminderter Zurechnungsfähigkeit. Seine Argumente: Der Angeklagte habe den Juden persönlich nicht gekannt, er habe emotional gehandelt, und er sei betrunken gewesen.

Im Sommer 1750 liegen schließlich zwei Todesurteile vor. Eines stammt von Rat und Verwaltung der Stadt Emden, das andere wurde unterzeichnet von Friedrich dem Großen, seit 1744 Herr von Ostfriesland. Beide Urteile lauten gleich. Der Delinquent soll mit dem Knochenbrecher vom Leben zum Tode gebracht werden, anschließend soll sein Körper auf ein Rad geflochten werden. Am 1. August 1750 vermeldet Emden in einem Schreiben an den „Allerdurchlauchtigsten Großmächtigsten König, Allergnädigsten König, Fürst und Herr“, wie man den Albert Ruiter zu Tode gebracht, indem man ihn zunächst mit einem Strick gewürgt, ihm einen ersten Schlag auf die Brust, dann jeweils zwei Schläge mit dem Knochenbrecher auf die Extremitäten und schließlich noch einmal zwei Schläge auf die Brust versetzte, ihn anschließend mit Ketten auf das größere Rad geflochten habe. Wo er bestattet wurde, ist nicht mehr bekannt, aber Rieke Gerjets Janßen berichtet davon, dass Freunde des Mannes seine Leiche verbrannt und auf einem Feld verstreut haben sollen.