Von der Gleichwertigkeit der Künste

Das 7. Gezeiten-Konzert brachte das Ensemble „Reflektor“ in die Auricher Stadthalle

Von Ina Wagner

Aurich. „Liebestaumel“ werde man im Programm des Ensembles „Reflektor“ erwarten können, erklärte der Organisatorische Leiter der Gezeiten, Raoul-Philip Schmidt, zu Beginn des Konzertabends in der Auricher Stadthalle. Er hatte Recht.

Dirigent Thomas Klug in Aktion. Bilder: Karlheinz Krämer

Das Programm war im übrigen insgesamt derart ungewöhnlich, dass man nur staunen konnte. Klassische Kompositionen wurden kombiniert mit modernen Popsongs in musikalischer Opulenz. Dazu stellte das junge Ensemble Texte aus unterschiedlichen Zeiten. Im Zentrum: Beethovens „Brief an die unsterbliche Geliebte“. Daneben: Liebesbriefe, die die Musiker selber irgendwann einmal geschrieben oder empfangen hatten – eine bunte Mischung kleiner Texte, die vom ersten Text an als Überraschungsmoment wirkten.

Spielen im Stehen: ein Teil der Geiger des Ensemble Reflektor.

Der Beethoven-Brief entstand zu jener Zeit, als er die 8. Sinfonie komponierte – weshalb die „Reflektoren“ just diese Musik – mit Perfektion und Anspruch gespielt – an das Ende ihres Konzertes stellten. Dieses wies übrigens drei weitere Besonderheiten auf. 1. Alle Instrumentalisten, die nicht unbedingt auf einen Sitzplatz angewiesen waren, standen – was man sonst eigentlich nur aus der Barockmusik kennt. Diese Positionierung führte aber zu einem dynamischen Mehr, so dass die Musik an elastischem Schwung, aber auch an dramatischer Akzentuierung gewann.

2. Die Formation ist, obwohl sie aus Berufsmusikern besteht, kein Orchester, das ständig zusammen spielt. Um letzte Proben mit dem wunderbaren Dirigenten Thomas Klug durchzuführen, hatten die Veranstalter daher die Schweizer Kirche als Übungsraum organisiert. Untergebracht war die ganze Mannschaft mehrere Tage im Hotel in Hinte.

3. Das Konzert wurde nur mit sehr kurzen Zwischenpausen durchgespielt – und somit der Applaus an den Schluss des Programms gesetzt. Obwohl niemand „vorgewarnt“ hatte, verstand das Publikum diesen Schachzug eines durchkomponierten Konzeptes und ließ sich ganz darauf ein.

Alles richtig gestimmt? Der Percussionist bei der Arbeit.

In dem bunten musikalischen Programm, das sich an diesem Sonnabend entspann, bildeten Brahms-Walzer aus dem Zyklus „Liebeslieder“ eine Art Grundgerüst. Dazwischen eingestreut waren Pop-Songs von Nena, Whitney Houston und Roberta Flack in Orchesterbearbeitungen von sinfonischer Klangfülle und grandioser Wirkung. „Der Beethoven“ am Schluss – und ein Walzer als Dank des Orchesters. Leider war dann Schluss. Diesem ideenreichen jungen Orchester mit ihrem inspirierenden Dirigenten und ihrem raffinierten Programm hätte man noch länger zuhören mögen. Denn es war auch ein Statement für die Gleichwertigkeit der Künste.