„Warten Sie, bis ein Bild Sie anspricht“

Emden. Eine Ausstellung mit 24 Farblithographien aus dem Exodus-Zyklus von Marc Chagall ist am Wochenende in der Martin-Luther-Kirche eröffnet worden. Zu Gast war dabei die Leihgeberin Christa Kraemer, die auch eine Einführung gab. Die Ausstellung, die zwei Monate lang zu sehen sein wird, schildert den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten und dessen Befreiung. Das war auch das Thema der Festpredigt von Regionalbischof Dr. Detlef Klahr. „Gott ist ein Befreier. Es wäre schön, wenn Sie mit dieser Erkenntnis aus der Kirche gingen“, wünschte sich Klahr.

Auch wenn heute niemand einen brennenden Dornbusch sähe, wie Mose das vor 3000 Jahren bei seinem Auftrag durch Gott erlebte, könne jeder Mensch eine solche Befreiung durch den Glauben erfahren, sagte Klahr. Der jüdische Maler Marc Chagall habe von dieser Kraft gewusst und den „mitgehenden Gott“ gekannt. Die Erinnerung an den 40 Jahre währenden Befreiungskampf des jüdischen Volkes mit Bildern der alten Erzählungen sei wichtig.

Leihgeberin Christa Kraemer und Regionalbischof Dr. Detlef Klahr vor dem Bild Chagalls, das den brennenden Dornbusch zeigt – ein Motiv, das auch in der Predigt vorkam. Bilder: Käthe Dübbel

Christa Kraemer beleuchtete zunächst den Lebensweg Chagalls – vom Judenjungen bis hin zum bedeutenden Künstler, der 1985 im Alter von 97 Jahren starb. Die 92-Jährige aus Neuenwalde (Landkreis Cuxhaven) war bis zu ihrer Pensionierung Kirchenmusikerin an der Kreuzkirche Bremerhaven. Von einem Pastor, der Chagall-Fan gewesen sei, habe sie sich in der Begeisterung für den Maler anstecken lassen und nach und nach die Bilder gesammelt, erzählte sie.

„Bilder malen, wie sie die Welt noch nie gesehen hat“, dieses Ziel habe Chagall sein Leben lang verfolgt, sagte Christa Kraemer in ihrem Vortrag. Der im heutigen Weißrussland Geborene sei viel gereist. Von besonderer Bedeutung sei für ihn eine Reise nach Palästina gewesen. „Er wurde immer stolzer darauf, Jude zu sein“, sagte die Rednerin. Juden hätten seinem Verständnis nach den Auftrag, auf besondere Art und Weise darauf hinzuweisen, dass Gott der Herr der Welt und der Zeit sei.

Bekannt sei Chagall für seine besonderen Farbkompositionen, erklärte Kraemer. Nähme man die wie gemalt wirkenden Bilder aus den Rahmen, wären die verschiedenen Druckschichten zu finden. Eine Leidenschaft habe der Künstler auch für die Geometrie gehabt. Bei aller Fantasie seien strenge Konstruktionen wie die diagonale Aufteilung in die Bilder eingeflossen. Bei den Radierungen habe Chagall es zur Meisterschaft gebracht. Als „toller Arbeiter“ habe er den Druck seiner Bilder akribisch überwacht. Die Motive sollten Menschen zum Nachdenken anregen. „Warten Sie geduldig darauf, bis ein Bild Sie anspricht“, empfahl die Leihgeberin den Besucherinnen und Besuchern.

Fanden Interesse: die Farblithografien von Marc Chagall

Kirchenvorstands-Vorsitzende Hille Hunger dankte Christa Kraemer für die kostenlose Leihgabe der Bilder. Die musikalische Gestaltung des Gottesdienstes lag bei Kantor Marc Waskowiak (Orgel, Klavier, Gesang) und seiner Tochter Lea (Violine,Gesang). Neben dem Exodus-Zyklus von Marc Chagall sind Bilder aus der Ostfriesland-Haggadah der Künstler Ricardo Fuhrmann und Daniel Jelin zu sehen.

► Geöffnet: bis zum 26. September, dienstags bis freitags von 15 bis 17 Uhr, sonnabends von 11 bis 13 Uhr und sonntags nach dem Gottesdienst. Der Eintritt ist frei.