Zutiefst beseligendes Ereignis

Von Ina Wagner

Emden. Nach einem umwerfenden Konzert kam eine phantastische Zugabe – und die gab es gleich doppelt. Das war ein Konzert der Superlative, mit einem Programm, das zunächst eine banale Frage aufwarf. Wer ist Ignacy Jan Paderewski (1860 bis 1941)?

Doch diese Frage stellte sich erst beim zweiten Stück. Zunächst legten Matthias Kirschnereit (Klavier) und Francisco Fullana (Violine) mit der „Sonate für Violine und Klavier“ g-Moll von Claude Debussy in bester Manier los. Rollende Läufe, feinste Bewegungen, bewegendes Mit- und Gegeneinander. Wunderbar sind die beiden Musiker aufeinander eingestimmt, sie verstehen sich offenbar blind, befruchten sich gegenseitig.

Blaue Stunde in der Neuen Kirche. Auf dem Podium: Francisco Fullana und Matthias Kirschnereit. Bilder: Karlheinz Krämer

Und sie finden Musik, die dieses Miteinander noch unterstützt. Und da sind wir beim Polen Paderewski und seiner „Sonate für Violine und Klavier in a-Moll“, die der – so Wikipedia – Pianist, Komponist, Politiker und Freiheitskämpfer als ein kraftvolles Werk inszeniert, romantisch ausgerichtet, herausfordernd, melodisch und virtuos – überragend komponiert und in überzeugend unmittelbarer Weise interpretiert. „Mary Portman“, eine Guarneri-Geige, die angeblich zehn Millionen Dollar wert sein soll und die Francisco Fullana aktuell spielt, klingt, treibt, harmonisiert, schmeichelt, kokettiert, schwillt.

Hört man wirklich den besonderen Klang und dieses füllige Volumen der Guarneri oder wird nur das Wissen über die Geige auf den Klang transponiert? Was auch immer Fullana da spielt – die Wirkung ist enorm, wobei – das muss gesagt sein – das brillante Zusammenspiel den Effekt bei der stürmisch daherkommenden Sonate ausmacht. Ganz exzellent – und natürlich spielte er die „Portman“!

Manuel de Fallas „Suite populaire espagnole“ mit dem zauberhaften Wiegenlied und dem abschließenden Tanz Jota zeigten nochmals die Bandbreite der Möglichkeiten von Klavier und Geige. Da standen durchscheinende Zartheit und rhythmische Gewalt sich gegenüber und schufen in feinsten Anklängen einen Bezug zum Impressionisten.

Angespannte Konzentration: der Violinist und der Pianist.

Doch erst die Zugabe ließ das Publikum vollkommen zufrieden zurück. Aus der sogenannten F.A.E.-Sonate – F.A.E. steht für „frei, aber einsam“ – für Violine und Klavier erklang das von Johannes Brahms komponierte Scherzo, ein wilder musikalischer Ritt, turbulent und glutvoll dynamisch. Und genauso wurde es von Kirchnereit und Fullana auch gespielt. Dieses heftigen Angriffs konnte man sich als Zuschauer nicht erwehren. Und so wurde die Wiederholung zugleich zum zutiefst beseligenden Ereignis, das mit wildem Applaus honoriert wurde. Die Musiker aber hatten nach dem Doppelkonzert und den langen Zugaben eine Energie-Leistung sondergleichen hinter sich gebracht.

Ins mystische schwarzweiße Dunkel getaucht: Matthias Kirschnereit in der Neuen Kirche.

Das Konzert ist von NDR-Kultur aufgezeichnet worden und wird am 18. Oktober ab 20 Uhr in der Sendung „Das Konzert“ übertragen.