Eines der wenigen Zeugnisse des 16. Jahrhunderts

„1820dieKUNST“ stellte am Mittwoch Neuerwerbung vor

Von Ina Wagner

Emden. „Renaissanceporträt einer Adeligen mit Wappen, wohl Protestantin aus Norddeutschland“, so lautete das Angebot eines Hamburger Antiquitätenhändlers auf der Plattform E-Bay. Und auf eben dieses Bild stieß der niederländische Mittelalterhistoriker Redmer Alma eines Abends bei Internet-Recherchen. Er war für seinen aktuellen Forschungsbereich auf der Suche nach Porträts, die im Zusammenhang mit den Burgen in Groß-Midlum und Grimersum stehen. Und an diesem Abend hatte er Glück. Die Renaissance-Dame konnte der Fachmann für Genealogie innerhalb einer Nacht als ostfriesische Häuptlingstochter Tecla van Diepholt identifizieren, die mit Snelger Beninga verheiratet war und in Grimersum lebte.

Restauratorin Sybille Kreft und Wissenschaftler Redmer Alma diskutieren, was mit dem Gemälde geschehen soll. Bilder: OLME

Das Gemälde – es ist nur eines von vermutlich 30 Bildern, die einst die Burg Grimersum schmückten – war zwar nicht signiert, aber auf 1595 datiert. Da sich zudem eine Alterszuschreibung für die Abgebildete fand, die „aetatis suae 48“, in ihrem 48. Lebensjahr, abgebildet war, lässt sich das Geburtsjahr der Tecla auf 1547 festlegen.

Entscheidend für die Identifizierung aber waren zwei Wappen, deren Auflösung für Alma indes kein Problem bedeutete. Das eine war das Wappen van Diepholt, das andere das Wappen der Cirksena. In der besagten Nacht stellte Alma die Zusammenhänge fest und notierte sie auf acht eng beschriebenen Seiten. Dazu konnte er allerhand Bildmaterial stellen. Denn er hatte durch seine Forschungen im Familienarchiv der Beningas, der sogenannten Grimersumer Kiste, nicht nur die Unterschrift Teclas entdeckt, sondern auch deren Siegel. Zudem konnte er die Beschreibung der beiden Wappen hinzufügen.

„1820dieKUNST“ wurde eingebunden, und schnell war klar, dass die Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen wollte. Sie schlug zu und kaufte das Porträt für kleines Geld. Denn da dem Verkäufer wohl nicht bekannt war, um wen es sich bei der Dargestellten handelte, blieb der Preis gering. Aber beim ersten Blick auf das Bildnis war klar, dass eine Restaurierung nötig werden würde. „Aber es gibt so wenige Zeugnisse aus dieser Zeit, dass auch Bilder in schlechtem Zustand wichtig sind“, erklärte Alma.

Der Befund, den die Dresdner Restauratorin Sybille Kreft, feststellte, ist umfassend. Die Farbe wurde auf eine sehr dünne Leinwand aufgetragen und mit einem Untergrund aus Holzbrettern verklebt. Da Leinwand und Holz jeweils individuell auf Feuchtigkeit und Wärme reagieren, haben sich Blasen gebildet. Zudem ist die Leinwand durch die verwendeten Ölfarben spröde geworden. „Eine heikle Arbeit“ stünde bevor, erklärte die Restauratorin, die schon einen Kostenvoranschlag eingereicht hat. Denn als erstes muss die Leinwand von der Malseite her gesichert und dann mittels Wasserdampf von dem Holzuntergrund befreit werden. Die Leinwand wird dann auf eine neue montiert. Erst dann beginnt der Prozess der Restaurierung. Besondere Beschädigungen weist das Gemälde im Bereich des Rahmens auf. Hier sind Risse und Fehlstellen zu beobachten. Vermutlich sei das Bild so gelagert gewesen, dass Feuchtigkeit von oben eindringen konnte, mutmaßt die Restauratorin. Zudem gibt es auffällige runde Stellen im Gesicht und an den Hände. Aufgrund der Form der Löcher sei wohl davon auszugehen, dass es sich hier um Lochfraß handle, meint Sybille Kreft.

Woher das Bild kommt, wollte der Schatzmeister der „Kunst“, Oltmann Bunger, wissen und versuchte nachzuforschen. Der Antiquitätenhändler, der den Verkauf durchführte, konnte aber nur sagen, dass der Eigentümer wohl aus Winsen an der Luhe komme und das Gemälde als „Dachbodenfund“ bezeichnet habe. Für Redmer Alma ist das Anlass, zu mahnen, solche Funde niemals zu entsorgen, auch wenn der Erhaltungszustand von Gemälden schlecht sei. Dem stimmt Restauratorin Sybille Kreft zu: „Wenn das Porträt restauriert ist, wird das ein sehr schönes Bild sein.“ Sie hat bereits eine kleine Stelle gereinigt. Dabei zeigte sich, dass der Farbauftrag noch in Takt ist, auch wenn der Firnis opak geworden ist und nun ein milchiger Schleier die originalen Farben überzieht.

Das Gemälde der Tecla ist nicht das erste, das die „Kunst“ im Besitz hatte. Vor dem Krieg gab es ein Diepholt-Gemälde im Landesmuseum in der Großen Straße, erläuterte gestern die Kuratorin der Gemäldeabteilung im Ostfriesischen Landesmuseum, Dr. Annette Kanzenbach. Wie so viele Gemälde sei es in den Kriegswirren verloren gegangen.

Detail aus dem Bildnis der Tecla van Diepholt. Die feine Struktur der dünnen Leinwand ist zu erkennen.

Das Bildnis ist zwar gerahmt, aber dieser Rahmen sei ein industriell gefertigtes Produkt aus dem 19. Jahrhundert, hieß es bei der Pressekonferenz am Mittwoch. Aufgrund seines schlechten Zustandes könne er nur entsorgt werden. Zudem sei gar nicht sicher, ob das Bild ursprünglich überhaupt gerahmt war, sagte Kunst-Schriftführer Johannes Berg. Es habe im 16. Jahrhundert andere Moden gegeben, die Bildnisse repräsentativ an die Wand zu bringen.

Sybille Kreft mit Oltmann Bunger, Redmer Alma, Dr. Reinhold Kolck und Günther Strelow im Landesmuseum.

Zu den finanziellen Dingen, die Kauf und Restaurierung des Gemäldes betreffen, wollte Kunst-Vorsitzender Gregor Strelow nichts sagen. Sein Vorgänger im Amt, Dr. Reinhold Kolck, hat inzwischen angeregt, das Bildnis in das Steinhaus der Cirksena-Familie in Greetsiel zu geben. „Dort gehört es hin!“ Denn Tecla van Diepholt stammt mütterlicherseits aus dem Hause Cirksena. Ihre Mutter, Moetke Cirksena, war die Tochter des Rudolph Cirksena. Dieser wiederum war ein Neffe Edzards des Großen.

Tecla van Diepholt ist auf dem Bild in ein schwarzes Gewand gehüllt. Dazu trägt sie weißen Schal und Halskrause, sowie eine Flügelhaube und Armbänder. In den Händen hält sie ein kleines Buch, wohl ein Andachtsbuch. Annette Kanzenbach vermutet, dass ein niederländischer Maler sie ins Bild gesetzt hat. „Die kostenaufwendige Kleidung reiht sie vorbehaltlos in die Kreise der vornehmen Gesellschaft im deutsch-niederländischen Nordwesten ein.“