Der oberste Ostfriese

Rico Mecklenburg steht der Ostfriesischen Landschaft seit 2014 als Präsident vor. Jetzt läuft seine zweite Amtszeit. Wie sieht er seine Aufgaben? Welche Erfahrungen hat er gemacht? Was will er noch erreichen?

Von Ina Wagner

KiE: Herr Mecklenburg, Sie sind zum 2. Mal ins Amt als Präsident der Ostfriesischen Landschaft gewählt worden. Was bedeutet Ihnen diese Wahl und – hat man Sie zur Annahme überreden müssen?

Mecklenburg: Als man mich gefragt hat, ob ich noch einmal antreten möchte, habe ich Ja gesagt. Ich erfülle die Aufgaben des Landschaftspräsidenten sehr gerne. Ja, es ist mir nicht nur eine Freude, sondern auch eine Ehre, Landschaftspräsident zu sein. Es macht mich auch stolz. Schließlich bin ich der erste Emder, der diese Aufgabe erfüllt. Und solange ich selber gesund bin und meine Frau dahintersteht, ist das in Ordnung.

Ihre Aufgabe ist mit viel Repräsentation verbunden, viel Aufwand, vielen Reisen. Direkt gefragt: Warum tut man sich das an?

Die Begrüßung der Gezeiten-Konzertbesucher ist eine Aufgabe, die Landschaftspräsident Rico Mecklenburg sehr gerne erfüllt. Hier spricht er vor dem Konzert von Matthias Kirschnereit und Francisco Fullana in der Neuen Kirche zu den Gästen. Bild: Karlheinz Krämer

Das Amt des Landschaftspräsidenten ist ein wichtiges repräsentatives Amt, weil man quasi für ganz Ostfriesland zuständig ist – und das auch über die Kultur hinaus. Zudem: Ich bin gerne unter Menschen. Seit meinem 16. Lebensjahr habe ich immer irgendetwas Ehrenamtliches gemacht. Und solch einen Einsatz für die Gemeinschaft finde ich wichtig.

Sie sagten, dass das Aufgabengebiet auch über die Kultur hinausgeht.

Wir haben eine Arbeitsgruppe „Landwirtschaft und Naturschutz“ und von dort das Wallheckenprogramm Ostfriesland initiiert. Dann gibt es natürlich auch die Archäologie, die Landschaftsbibliothek und den Bildungsbereich.

Wer bestimmt, welche Ressorts die Ostfriesische Landschaft darstellt?

Das sind die Landschaftsversammlung und das Landschaftskollegium. Nach Abschaffung der Bezirksregierung 2004 sollten Baukultur und Denkmalschutz unter das Dach der Ostfriesischen Landschaft kommen. Das wäre auch sinnvoll und nötig gewesen. Aber dafür hätten die Kommunen ihre Unteren Denkmalschutzbehörden abschaffen müssen. Dafür hat es – anders als bei der Archäologie – nicht durchgängig positive Rückmeldungen gegeben. Das hat also nicht geklappt.

Wenn Sie einmal zurückblicken – welches waren aus Ihrer Sicht die Schwerpunkte Ihrer ersten Amtszeit?

Neben der möglichst guten Ausübung des Amtes war die Finanzierung des „Sammlungszentrums für historisches ostfriesisches Kulturgut“, des Zentralmagazins, das wichtigste Thema. Nun ist das Geld da, aber auch die Sorge über fehlende Baustoffe, Firmen, die überlastet sind und generelle Kostensteigerungen in der Baubranche. Wichtige Personalentscheidungen waren zu treffen. Wir haben einen neuen Landschaftsdirektor und eine neue Leiterin des Regionalen Pädagogischen Zentrums (RPZ). Außerdem ging es um die Absicherung und Besetzung der Stelle eines Pressesprechers der Ostfriesischen Landschaft. Das war ein vierjähriges Hin und Her. Das entscheidende Gespräch mit dem Ministerium hat dann kurioserweise in einer Hannoverschen Straßenbahn stattgefunden.

Und wie sieht es mit der zweiten Amtszeit aus. Wo werden Sie da Schwerpunkte setzen?

Das Magazin – Kosten und Folgekosten – wird uns noch weiter begleiten. Weitere Öffnung der Landschaft sowie die Bereitschaft zur Kooperation und zur Wahrnehmung gesamtostfriesischer Interessen.

Hat das Amt, kann solch ein Amt zu Veränderungen in der eigenen Sichtweise führen?

Nein eigentlich nicht. Man muss eben Präsenz zeigen und anwesend sein. Dann lernt man Menschen kennen, und dann kommen auch gute Gespräche zustande. So hat sich zum Beispiel ein sehr gutes Verhältnis zu Wissenschaftsminister Björn Thümler, dem für uns zuständigen Minister, entwickelt. Nun ja, ich bin ja auch nicht gerade kontaktscheu. Ich mag zudem keine Missstimmungen. Da muss man rechtzeitig gegensteuern. Wir haben hier aber sehr gute Verhältnisse, und es geht sehr harmonisch zu.

Sie sind von Haus aus Pädagoge und Schulleiter, waren lange Zeit Ratsherr, dann Bürgermeister, jetzt Präsident eines höheren Kommunalverbandes, der ein Bündel pädagogischer und kultureller Aufgaben verantwortet. Entwickelt man da – auch aus Sicht der eigenen Biographie – bestimmte eigene Vorlieben?

Die Ostfriesische Landschaft lebt von der vielschichtigen Arbeit, die von den Fachleuten in allen Abteilungen des Hauses sehr gut geleistet wird. Das hindert allerdings nicht, dass man sich um einige Themen besonders kümmert. Dazu zählen die Gezeitenkonzerte, die ein Aushängeschild für die Ostfriesische Landschaft sind, und die wir nur durchführen können, weil die ostfriesische Wirtschaft das Festival so rege unterstützt. Ich versuche, dem Projekt die ihm zukommende Wertschätzung zu zeigen, indem ich so oft wie möglich präsent bin. Ein anderes Ressort, dass mir von Haus aus nahe ist, ist natürlich der Bildungsbereich. Dann aber auch das Projekt „Frauenorte“. Das finde ich höchst spannend, weil ich Geschichte studiert habe. Da liegen mir solche Themen nahe. Un natürelk find ik plattdüütsk heel wichtig, uns Regionaalspraak.

Es wird gesagt, dass das Konzept für die Gezeiten-Konzerte in der Pandemie in dem Garten eines Fördermitglieds entworfen wurde. Es war also eine gemeinschaftlich getroffene Entscheidung. Sind Sie also in jedem Fall ein Team-Player?

Bedingt. Ich fuße natürlich auf den Entscheidungen meiner Vorgänger, der Landschaftsversammlung und des Landschaftskollegiums, muss in Abstimmung mit unserem Landschaftsdirektor Entscheidungen aber auch selber treffen. Ich halte gerne Rücksprachen und habe einen guten Kontakt zu meinem Amtsvorgänger Helmut Collmann, bin aber letztlich in persönlicher Verantwortung.

Die Gezeitenkonzerte liegen Ihnen am Herzen, das merke ich. Wie verhält es sich mit dem künstlerischen Leiter, der ja nun seit fast zehn Jahren im Amt ist. Wird er bleiben?

Oh, da haben wir eine interessante Entwicklung. Die Landschaft hat mit Herrn Kirschnereit als künstlerischem Leiter der Gezeitenkonzerte die Abmachung getroffen, dass der Vertrag weiterläuft, wenn er nicht von einer Seite gekündigt wird. Das wird aber von unserer Seite nicht passieren, weil Herr Kirschnereit für das Festival unverzichtbar ist.

Es hat einmal den Versuch gegeben, die Ostfriesische Landschaft grundlegend zu reformieren. Dieser Versuch ist damals gescheitert. Sehen Sie die Notwendigkeit einer Reform dieser alten Institution?

Nein. Ich halte mich an den Leitspruch: Never change a running system. Und von unserem Tafelsilber, der Ostfriesischen Landschaftlichen Brandkasse, werden wir uns auch nicht trennen – falls Sie darauf anspielen.

Gibt es bei Ihnen „typische Tage“ – und wie sehen die aus?

Nein, typische Tage gibt es nicht. Aber das mag ich gerade an dem Amt. Jede Woche gestaltet sich anders. Ich habe ja keine festen Bürozeiten, das heißt aber nicht, dass es nicht immer wieder lebhaft zugeht. Das Amt ist zeitlich immer wieder sehr herausfordernd und nimmt einen stark in Anspruch. Aber, wie gesagt, ich mache das sehr gerne.

Sie haben viel mit den Ministerien in Hannover zu tun. Sie müssen vor Ort sein, reisen. In wie weit betrachten Sie Ihr Amt als ein politisches?

Das Amt des Landschaftspräsidenten ist kein parteipolitisches Amt, aber es wird schon als politisch wahrgenommen. Die Entscheidungsfindung verläuft bei uns in gegenseitiger überparteilicher Absprache. Dennoch glaube ich, dass ich als der oberste Ostfriese wahrgenommen werde. Die Ostfriesische Landschaft ist ja die einzige der Landschaften, die sich historisch entwickelt und nach 1945 modernisiert hat. Sie ist mehr als 550 Jahre alt. Alle anderen niedersächsischen Landschaften sind wesentlich jünger mit Ausnahme der sechs hannoverschen historischen Landschaften, die sich aber nicht modernisiert haben.

Was wünschen Sie sich für die nächsten Amtsjahre?

Für Ostfriesland eine Stärkung durch Wandel, Innovation und gute Zusammenarbeit in der Region. Dass mehr ostfriesisch gedacht und gehandelt wird und weniger Einzelinteressen verfolgt werden. Angemessene Finanzierung und Erfolg unserer Projekte und Vorhaben. Persönlich vor allem gute Gesundheit für meine Familie und mich.



Rico Mecklenburg – aus der Vita

geboren: 1949 in Oldenburg
Beruf: Dreher
Bundeswehr: Hubschraubermechaniker, nach weiterer Ausbildung: Flugzeugmechaniker
Hochschulreife auf dem 2. Bildungsweg
Studium: Geschichte, technisches Werken und Politik auf Lehramt in Oldenburg
1972: Beitritt zur SPD
Seit 1976: Lehrer an verschiedenen Schulen in Emden
zuletzt als Rektor der Grund-, Haupt- und Realschule in Wybelsum
1991 bis 2016: Mitglied im Rat der Stadt Emden, Ratsvorsitzender und ehrenamtlicher Bürgermeister.
seit 2002 Mitglied der Landschaftsversammlung, Mitglied im Bildungsausschuss
seit 2009 als für Bildung zuständiger Landschaftsrat Mitglied des Kollegiums der Ostfriesischen Landschaft
Pensioniert: 2014
29. November 2014: erstmalige Wahl zum Landschaftspräsidenten als Nachfolger von Helmut Collmann