Starke Momente!

Abschlusskonzert der Gezeitenkonzerte im Theater an der Blinke in Leer

Von Ina Wagner

Leer. Dass moderne Musik zwischen ansonsten traditionellen Konzertstücken zu hören ist, kommt nicht so oft vor. Fünf Bläser des Jungen Philharmonischen Orchester Niedersachsen (JPON) stellten am Sonntag im Abschlusskonzert der „Gezeiten“ im Theater an der Blinke in Leer mit Flöte, Oboe, Horn, Fagott und Klarinette vor, dass das nicht nur sehr gut funktioniert, sondern auch ausgesprochen humorvoll ausfallen kann. Ligeti, der 2006 verstorbene ungarische Komponist, hat mit seinen sechs „Bagatellen für Bläserquintett“ eine sehr sparsame Form gewählt, die mit jeweils wenigen Tönen auskommt, diese aber variantenreich kombiniert. Die fünf Bläser gingen die Stücke mit Verve an, kosteten die peppigen Passagen der Komposition reizvoll aus und hauchten den kleinen Werken größtmögliches, häufig sehr dissonantes Leben ein, aber immer mit einem Augenzwinkern.

Spielten Bagatellen von Ligeti: fünf Bläser des Jungen Philharmonischen Orchesters Niedersachsen. Bilder: Karlheinz Krämer

Begonnen hatte das Konzert unter der Leitung des ungarischen Dirigenten Gábor Hontvári mit dem „Siegfried-Idyll“ von Richard Wagner, bei dem das junge Orchester mit fülligem Klang die spätromantische Komposition breit ausführte und das klanglich angenehme Werk stilvoll in Szene setzte. Das Geschenk an seine Frau Cosima zur Geburt des gemeinsamen Sohnes Siegfried setzt zwar auf klangliche Opulenz, verliert aber nie seinen geradezu intimen Charakter. Das Junge Philharmonische Orchester Niedersachsen erwies sich dabei als sehr ausgewogen agierender Klangkörper, der dem Dirigenten mit großer Leichtigkeit folgte.

Auftakt mit Wagners „Siegfried-Idyll“: das Junge Philharmonische Orchester Niedersachsen.

Man darf dabei nicht vergessen, dass das Orchester, das demokratisch strukturiert ist, nicht ständig zusammenarbeitet, sondern sich nur zu Proben trifft, um dann sogleich im norddeutschen Raum Tourneen anzugehen. Die Programme sind immer hoch anspruchsvoll und qualitativ herausragend. So hatte das JPON im Rahmen der Gezeitenkonzerte 2015 zum Beispiel die Sinfonie Nr. 7 von Dimitri Schostakowitsch, die „Leningrader“, aufgeführt und damit für Furore gesorgt.

„Auskomponierte Liebe“ spielte Pianist Matthias Kirschnereit als Solist des Konzertes.

Das Orchester erwies sich aber auch in der Begleitung des Solisten als reifer Partner. Der künstlerische Leiter der „Gezeiten“, Matthias Kirschnereit, spielte Mozarts Klavierkonzert KV 414 und bezeichnete dieses Werk selber als „auskomponierte Liebe“. Kirschnereit ließ dann die Musik singen und klingen, formulierte entschlossen, aber immer mit einem zarten Ton, ein Musiker, der sein künstlerisches Handwerk immer neu formt, dabei aber die Tiefen der Komposition im Blick hat. Das ging im Falle der Kadenz des Rondos soweit, dass Kirschnereit spontan Mozarts Gedankengänge fortsetzte und an passender Stelle ein paar Takte des „Rondo alla Turca“ einbaute. Wie sich herausstellte, bot er diese spektakuläre „Sondereinlage“, die das Orchester geradezu aufschreckte, weil es nicht eingeweiht war, nur im zweiten der Sonntagskonzerte. Ein starker Moment!

Dirigierte mit Feingefühl und Präzision: Gábor Hontvári

Und die Zugabe? Brahms natürlich. Der Abschiedswalzer. Zart bis zum Zerschmelzen, elegisch und zugleich Hoffnung tragend. Einfach schön.