Atemberaubend und erschütternd

Aurich. Ein höchst anspruchsvolles Programm präsentierten Tanja Tetzlaff (Violoncello) und Florian Donderer (Violine) den rund 120 Mitgliedern der „Freunde der Gezeitenkonzerte“ in der Lambertikirche zu Aurich. Diese als Dankeschön deklarierte Veranstaltung verlangte sowohl den Musikern als auch dem Publikum einiges ab. „Das ist tatsächlich etwas für Spezialisten“, bekannte der organisatorische Leiter der „Gezeiten“, Raoul-Philip Schmidt. Und die Musiker selber waren so begeistert von der hohen Aufmerksamkeit der Zuhörer, dass sie ihnen nicht nur von der Bühne herunter applaudierten, sondern dies im Anschluss an das Konzert eigens erwähnten. Man spüre, ob ein Publikum wirklich ganz „dabei sei“.

Es war ein Konzertabend, dessen Musik durch die Jahrhunderte hinweg in geradezu existenzialistischer Weise ergriff. Da wurde ein Werk von 1971 einem zweiten von 1717/20 und einem dritten von 1920/22 gegenüber gestellt. Aber dieses Wort ist eigentlich falsch, denn die drei Werke – so viel Zeit auch zwischen ihnen lag, schoben sich ineinander, ergänzten und befruchteten sich – eine bemerkenswerte Zusammenstellung.

Anreise: Tanja Tetzlaff und ihr Violoncello, ganz in zivil. Bilder: Karlheinz Krämer

Benjamin Brittens Suite steht offensichtlich in der Nachfolge der Bach-Suiten für Violoncello, weshalb Bachs „Ciaconna“ aus der Partita Nr. 2 d-Moll eine logische Wahl für den zweiten Programmpunkt des Abends war – und in atemberaubender Technik mit erschütternder Intensität gespielt wurde. Ravels höchst dissonantische Sonate für Violine und Violoncello ist in ihrer umspannenden und beständig abwechselnden Folge der Tongeschlechter ein – immer noch – fremdartig wirkendes Stück Musik, das allein durch die Zuschreibung als „Erinnerungsstück an Claude Debussy“, also als eine Art Trauermusik, nicht erklärbar ist.

Tanja Tetzlaff und ihr Mann, der Violinist Florian Donderer, auf der Bühne in der Lambertikirche zu Aurich.

Tanja Tetzlaff und Florian Donderer entwickelten das Tiefgründige der Musik ganz systematisch – zunächst solistisch, dann als Duo. Und sie sind als Duo in feinster Weise ein eingespieltes Team, das mit traumwandlerischer Sicherheit die Schwierigkeiten der Ravel-Komposition bewältigte – dieses ausgesprochen heftig, ja stellenweise gar aggressiv anzuhörende Stück Musik, das Ravel selber als Kehrtwende in seinem Werk bezeichnete. Doch die Übermittlung durch das Duo war derart intensiv und organisch, dass die Harmonie ihres Spiel dominierte und bezauberte.

Das Konzert wurde auf eine Großleinwand projiziert, um Details auch von der Empore aus in den Blick nehmen können. An der Kamera steht hier Organisationsleiter Raoul-Philip Schmidt.

Da der Abend ein Dankeschön war, ergriff die Vorsitzende des Freundeskreises. Heide Fritzsche, eingangs das Wort und hob insbesondere hervor, dass nicht nur die Zahl der Mitglieder während des vergangenen Festivals angestiegen sei, sondern sich auch keiner abgemeldet habe, obwohl jeglicher Kontakt untereinander mehr als ein Jahr zum Stillstand gekommen sei. „Es ist einfach eine Freude, einem solchen Verein vorzustehen.“

Der künstlerische Leiter des Festivals, der Pianist Matthias Kirschnereit, war an dem Abend nicht dabei. Als neuer Präsident der Hamburger Johannes-Brahms-Gesellschaft probte er für sein erstes Konzert vor den Mitgliedern der Gesellschaft, zu dem unter anderem auch Felix Klieser (Horn) eingeladen war, der während der „Gezeiten“ in Wittmund zwei Hornkonzerte von Mozart gespielt hatte.