Erfolgsgeschichte für eine universitätslose Region
Aurich. Ein sperriger Titel, doch ein flotter Vortrag. Der Leiter des Niedersächsischen Landesarchivs, Abteilung Aurich, Dr. Michael Hermann, hatte seine Studie über „100 Bände Emder Jahrbuch – Die Entwicklung der historischen Zeitschrift für ostfriesische Landeskunde im Beziehungsgeflecht zwischen „Kunst“, Staatsarchiv und Ostfriesischer Landschaft“ schon im letzten Jahr halten wollen. Nun erhielt er Gelegenheit, dies nachzuholen. In der gemeinsamen Vortragsreihe von Landschaftsbibliothek und der ehemals „Staatsarchiv“ benannten Institution sprach er im Forum der Ostfriesischen Landschaft über eine „Erfolgsgeschichte für eine universitätslose Region, die sich schon immer schon mit der eigenen Geschichte beschäftigt hat“. Rund 30 sehr interessierte Hörer waren dabei.
Vor 150 Jahren hielt General-Superintendenten Petrus Bartels in der Dienstagsrunde der „Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer“ den Vortrag „Ubbo Emmius, Möhlmann und die Entstehung des Dollart“. Dieser fand so großen Zuspruch, dass man erwog, ihn als Druck herauszugeben, „damit die Vorträge auch in weiteren Kreisen die Kenntnis der ostfriesischen Geschichte und des ostfriesischen Alterthums nach Kräften“ fördern mögen. Und damit begann die Geschichte des „Emder Jahrbuchs“, das 1872 erstmals erschien.
Hermann verfolgte die Geschichte des Jahrbuchs, das bis heute die einzige, wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Zeitschrift ist, durch eineinhalb Jahrhunderte. Dabei kam ein Kaleidoskop menschlicher Regung zum Vorschein, das jedem Drama zur Ehre gereicht hätte: Neid und Hass, Intrige und Redlichkeit, Bosheit, politische Hemmungslosigkeit. Es ging um Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten, Eitelkeiten. Wer ist Schriftleiter? Wer zahlt? Wer darf publizieren? Dazu kamen die wechselnden politischen Einflüsse, die durchaus Einfluss auf die Entwicklung des Periodikums nahmen. Bis dann endlich ein Punkt erreicht war, an dem sich die Gemüter beruhigten und statt Dissonanzen nunmehr das Bemühen um gemeinschaftliche Herausgabe und gemeinschaftliche Finanzierung trat.
Hermann schilderte nüchtern, präsentierte kleine übersichtliche Abschnitte, denen auch Hörer, die mit der Thematik nicht täglich umgehen, sehr gut folgen konnten. Und er ließ auch das versöhnliche Ende, das bis zum heutigen Tag andauert, nicht aus. Denn 1995 konnte das „Jahrbuch der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Alterthümer zu Emden“ unter neuem Namen und im frischen farbigen Gewand erscheinen – mit solider Finanzierung und einem namhaften Herausgeberkreis: die Gerhard ten Doornkaat Koolman-Stiftung, die Johannes a Lasco Bibliothek, das Niedersächsische Staatsarchiv Abteilung Aurich, die Bibliothek der Ostfriesischen Landschaft und „1820 die KUNST“ hatten sich zusammengetan.
Der neue Name war auch zugleich einer, der sich seit den 30er Jahren schon im Volksmund eingebürgert hatte, erläuterte Hermann. Das „Emder Jahrbuch“ mit dem Nachklapp „für historische Landeskunde in Ostfriesland“ ist seither der wissenschaftliche Stolz der Region. Eine weitere Veränderung gab es dann noch im letzten Jahr. Der 100. Band erschien zum 200. Jahrestag von „1820 die KUNST“ erstmals im Mai, einem Wunschtermin seit vielen Jahren, weil die Ostfriesische Landschaft dann üblicherweise den „Oll‘ Mai“ als Festveranstaltung begeht. Dieser Erscheinungstermin soll bleiben.