Zwischen Dauer und Vergänglichkeit

Aurich. Ein besonderes Konzert – das sagt sich so leicht. Doch was beinhaltet dieser Begriff eigentlich? Was ist das besondere?

Da sind zwei Musikerinnen – Johanna Ruppert (Violine) und Jessica Kaiser (Gitarre). Sie spielen im Epilog der Gezeitenkonzerte Musik mit folkloristischen Einschlägen unterschiedlicher Länder – und das in höchst delikater Weise, die das technische Können mit emotionaler Tiefe paart und dabei schwebend leicht aussieht. Doch die beiden Musikerinnen wollen mehr – sie bringen die Musik ins politische Geschäft, konfrontieren sie mit Gesellschaftskritik und mit den wesentlichen menschlichen Regungen: Liebe, Tod, Gerechtigkeit, Krieg.

Jessica Kaiser und Johanna Ruppert spielten im Forum der Ostfriesischen Landschaft in Aurich. Bilder: Karlheinz Krämer

Um diese Konfrontation hörfähig zu machen, verwenden Ruppert und Kaiser (fast) zeitgenössische Musik von Edward Grieg, Béla Bartók, Maurice Ravel, Manuel de Falla und Astor Piazzolla, alles renommierte Pianisten, deren Kompositionen – in der von den Musikerinnen getroffenen Auswahl – verbunden sind durch Volksklänge ihrer Heimatländer, die in den Werken auftauchen.

Ganz konzentriert: Violinistin Johanna Ruppert.

Damit entsteht ein emotionales Moment, das durch Bilder und Aussagen einer Dokumentation abgerundet werden, in denen Menschen von extremen Erfahrungen berichten – vom Feuertod des eigenen Kindes, den sie mit ansehen mussten, ohne helfen zu können. Von zehnjähriger Einzelhaft und den Folgen. Von Hunger und Entbehrungen, Kriegserlebnissen. Faszinierend dabei ist, dass die Betroffenen keineswegs zu Rache und Vergeltung aufrufen, sondern zu ethisch-moralischen Werten wie Vergeben und Verzeihen.

Erstes Konzert nach der Geburt ihrer Tochter: Jessica Kaiser.

In den Aussagen der Befragten im Film des französischen Regisseurs Yann Arthus-Bertrand spiegelt sich der vielfache Ruf nach Humanität in einer inhumanen Welt. Die Musikerinnen geben die verbindende Kraft der Musik hinzu und schaffen so – in alles Ruhe, Exaktheit und Konzentration – ein Gesamtkunstwerk, dessen einer Teil – die Musik – nur im Augenblick des Spiels Bestand hat. Wunderbarerweise entsteht durch die Gegensätze – Dauerhaftigkeit des Films und Vergänglichkeit des Tons im Moment seiner Hervorbringung – ein gefühlsbetontes, aber keineswegs kitschiges Gleichgewicht, das mehr berührt als alle Mahnungen es könnten. Das war eindrucksvoll.