Gepflegter Ton ließ Musik-Juwelen glitzern

Emden. Tournee-Beginn in Emden – und das mit viel Erfolg. Das Staatliche Kammerorchester Lemberg bot bei seinem Konzert am Dienstag in der Johannes a Lasco Bibliothek einen ausgesprochen ausgewogenen Eindruck. Mit dem gepflegten Ton – voll, aber dezent, und sehr elegant in der Durchführung – verband sich ein Programm, das vor lauter Wohlklang förmlich barst, aber auch genügend Abwechslung bot, um einen vergnüglichen Abend zu gestalten. Und das ist nichts Geringes in diesen unsicheren Zeiten.

Mozarts „Divertimento“ in D-Dur – ein Ohrwurm der klassischen Art – wurde mit einer Frische gespielt, die bestechend war und jeden Ton wie ein funkelndes Juwel glitzern ließ. Dann ein zeitlicher Schritt zurück. Bach. Sechs Jahre nach seinem Tod wird Mozart geboren – also im Programm eine musikalische Reihenfolge in umgedrehter zeitlicher Entwicklung – und doch in der Schönheit der Tonsprache so nahe beieinander. Das Konzert für Violine und Orchester E-Dur ist – ebenso wie das Divertimento – eine Musik, die so bekannt ist, dass man sie mitsingen könnte, ein besonderes Glanzlicht, dessen Werkstruktur perfekt ausbalanciert ist und eine zeitlose Ästhetik zum Ausdruck bringt. Das Orchester aus der Ukraine lieferte mit diesem Auftakt einen Einstieg nach Maß.

Solist des Bach-Konzertes war Konzertmeister Marko Komonko. Dieser, mit internationalen Erfahrungen ausgestattete Violinist, wusste sich dem Opus 1042 mit Energie, aber dennoch behutsam zu nähern und spielte den Glanz seines Instrumentes ganz aus. Komonko ist seit sieben Jahren Konzertmeister der Lemberger und präsentierte sich somit als Musiker, der ganz im Einklang mit dem Orchester spielt – und das ergab ein wunderbares Ganzes. Seine Zugabe: Bach, Adagio – ganz ruhig und melancholisch, eine herrliche Erweiterung des Programms.

Nach der Pause wird es mit Gustav Holst und seiner „St. Paul’s Suite“ lebhaft und heiter. Die Tänze und volksliedhaften Sätze bieten zahlreiche Momente des Wiedererkennens und sind doch in der Zusammenstellung und Bearbeitung in der Suite in ein anderes, sehr attraktives Umfeld gestellt.

Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, folgte – an die bekanntlich bedeutsamste, letzte Position des Programms gestellt – die Sinfonie Nr. 44 von Joseph Haydn. Geschrieben nach einer längeren Erkrankung des Komponisten, scheint es in seinem Schaffen eine Zäsur zu geben, in der die Musik individuelleren Tendenzen folgt. Diesem emanzipatorischen Impetus folgten die Lemberger in geschmeidiger, leicht fließender Weise, die dem Ohr gefällig und dem Gedankenfluss des Hörers zuträglich war.

Für den eigentlich vorgesehenen Dirigenten Volker Schmidt-Gertenbach, der absagen musste, war Gudni A. Emilsson eingesprungen. Und der gebürtige Isländer machte seine Sache blendend. Seine offensichtlicher Wertschätzung des Orchesters wurde schnell deutlich. Doch der respektvolle Umgang war gegenseitig. So ausgeprägt spürt man das selten von der Bühne herunter. Ganz besonders reizvoll die Szene, als Emilsson mit dem Konzertmeister konferierte, dann die Bühne verließ und das Orchester einen heimischen Komponisten vorstellte.

Es erklang ein wunderbares Stück des ukrainischen Komponisten Myroslav Skoryk (gestorben 2020), mit dem Titel „Melody“. Es ist eine groß angelegte, flächige Musik, spätromantisch, die Bilder von weiten Landschaften imaginiert und eine bezaubernde Wirkung hat. Das Orchester spielte nicht nur ohne Dirigenten, sondern auch ohne Noten – und das im perfekten Zusammenklang. Bravo! Schön, diese Bekanntschaft zu machen, die zudem die musikalischen Erfahrungen des Publikums auf charmante Weise erweiterte.