Wenn Chorsänger im Takt swingen

Von Jörg-Volker Kahle

Emden. Für die Sängerinnen und Sänger des Singvereins Emden besteht spätestens seit dem Erntedanktag dieses Jahres kein Zweifel mehr daran, dass Johann Sebastian Bach der eigentliche Erfinder des Jazz ist. Denn an jenem 3. Oktober hat der „Oratorienchor von 1805“ einen entscheidenden Schritt zur Vorbereitung auf das Konzert getan, das am 30. Dezember dieses Jahres in der Martin-Luther-Kirche stattfinden soll. An jenem Tag trafen die Sängerinnen und Sänger aus Emden zum ersten Mal mit den „Westfälischen Saxophonikern“ zusammen.

Erste gemeinsame Probe des Singvereins und der Westfälischen Saxophoniker am Erntedanktag in der Martin-Luther-Kirche, unter Hygiene- und Abstands-Bedingungen. Bild: Kahle

Zum ersten Mal erlebten sie live, wie die so hochgeschätzte Musik des vielleicht größten Komponisten evangelischer Kirchenmusik unter Jazz-Einflüssen klingt – begleitet eben von Saxophonen statt des gewohnten Symphonie-Orchesters. Und es ließ die Sängerinnen und Sänger nicht kalt: Da wippte so mancher Fuß swingend im Takt, da wehte deutlich musikalische Lebensfreude durch die Kirche.

Die musikalische Begegnung des Emder Singvereins mit den Westfälischen Saxophonikern ist nicht das erste Mal, dass eher am Jazz orientierte Musiker Bach für sich entdecken. Die Musik des einstigen Leipziger Thomaskantors weist tatsächlich viele Elemente auf, die sich heute im Jazz wiederfinden und die in einer eher jazzigen Interpretation hervorragend zum Ausdruck kommen. Das wird in dem Konzert am vorletzten Tag des Jahres deutlich zum Ausdruck kommen, wenn die Bach-Kantate 140 (“Wachet auf, ruft uns die Stimme“) und aus dem Weihnachtsoratorium die Teile I bis III erklingen werden. Da wird auch mancher Publikums-Fuß im Takt mitswingen.

Zwar ist im Moment noch nicht absehbar, welche Corona-Regelungen mit welchen Konsequenzen dann gelten werden. Aber der Singverein als Konzertveranstalter hat inzwischen festgelegt, dass das Konzert unter den „2G plus“-Bedingungen durchgeführt wird. Das bedeutet, dass Besucher einen Impf- oder Genesungs-Nachweis sowie den Personalausweis vorzeigen müssen. Außerdem wird es nicht ganz ohne Abstände und Maskenpflicht auch am Platz gehen. Deshalb wird die Zahl der Publikumsplätze begrenzt sein. Karten im Vorverkauf wird es nur bei Kulturevents Emden und bei den Chormitgliedern geben. Weitergehende Informationen, vor allem Änderungen, werden über die Zeitungen und die Singvereins-Internetseite (www.singverein-emden.de) bekannt gegeben.

Sicher ist, dass das Konzert stattfinden soll. Es hätte bereits am 3. Advents-Wochenende 2020 stattfinden sollen, musste aber, wie alle Konzerte damals, Corona-bedingt ausfallen. Außerdem hatte es lange Zeit keine Chorproben geben können. Wie viele Chöre, bangte auch der Singverein ums Überleben – und arbeitete daran, dass die über 200-jährige Geschichte des Chores nicht von einem Virus beendet wird. Unter anderem durch sogenannte „Zoom-Proben“, bei denen jeder für sich vor dem heimischen Computer sang, aber mit Gemeinschaftsgefühl. Und vor allem unter Anleitung von Chorleiter Clemens-C. Löschmann, der sich sehr engagiert hat, um das alles zu ermöglichen. Mit Erfolg: Als der Chor wieder teilweise gemeinsam proben konnte, fing er eben nicht bei Null an.

Nun freuen sich Löschmann und sein Singverein auf die Aufführung der bekannten Bach-Werke mit den ungewohnten Jazz-Resonanzen am 30. Dezember um 17 Uhr. Neben dem Singverein und den Westfälischen Saxophonikern wirkt der Jugendchor der Musischen Akademie Emden mit sowie die Solisten Stephanie Henke (Sopran), Margarete Joswig (Alt), Andreas Post (Tenor) und Jörg Gottschick (Bass). Die Gesamtleitung liegt in den Händen von Clemens-C. Löschmann.