Nichts als Bücher

3. Teil

Emden.
Das Buch hat heute immer noch einen hohen Stellenwert. Daher sind Empfehlungen für bestimmten Lesestoff eine Leidenschaft der Mitglieder der „Gesellschaft der Freunde der Johannes a Lasco Bibliothek“. Vorstandsmitglied Klaus Frerichs (JaLB) sammelt diese zumeist kurzen Empfehlungen und veröffentlicht sie in regelmäßigen Abständen – als Tipp von Mitgliedern für Mitglieder. Da diese Empfehlungen ein höchst spannender und unterhaltsamer Gang durch die Literatur- und Sachbuchszene sind, sollen sie nun in der Vorweihnachtszeit einem größeren Kreis zugängig gemacht werden. Mitarbeiter der Johannes a Lasco Bibliothek (JaLB) schließen sich dem kleinen Projekt an.


Sybille Obst (Aurich) empfiehlt: Stefanie Schroeder „Niki de Saint-Phalle“, Herder. ISBN 978-3-451-27446-6, 239 Seiten, 12,80 Euro

Wer die Autorin kennt, weiß, sie schreibt „Romanbiografien“ (z. B. Gabriele Münter), und die Bezeichnung stimmt auch. Sie „erzählt“ (zugegeben nicht immer flüssig) das Leben der Künstlerin, wobei mehr sachliche Passagen mit eher erzählerischen abwechseln. Ich fand aber, dass das deshalb nicht stört, weil Niki so ein faszinierendes Leben und teilweise wirklich erschütternde Erlebnisse hatte, dass man einfach wissen will, wie sich alles entwickelt und dann auch ausgeht. Man erfährt nicht nur ihre dramatischen Familiengeheimnisse, sondern lernt auch jede Menge Künstler-Zeitgenossen von Niki kennen, vor allem natürlich Jean Tinguely – zum Teil sehr ausführlich, aber immer interessant. Ich hatte jedenfalls nach der Lektüre verstanden, wie und warum Niki’s „Schießbilder“ entstanden waren – vorher war ich da eher skeptisch-ablehnend gewesen. Vielleicht ein eher weibliches Buch ???


Dr. Michael Weichenhan(Emden, JaLB) empfiehlt: Juli Zeh „Corpus delicti. Ein Prozess“, btb-Verlag. ISBN: 978-3-442-74066-6, 272 Seiten, 11 Euro

Der zuerst 2009 erschienene Roman der mittlerweile zu den bedeutendsten Autorinnen in Deutschland zählenden Juli Zeh befasst sich mit einer Thematik, deren Brisanz in dieser Weise vor mehr als einem Jahrzehnt noch kaum vorauszusehen war: Was mag mit den Individuen in einer Gesellschaft geschehen, die dazu übergegangenen ist, alles dem einen großen Ziel, der Garantie der Gesundheit und der Stärkung des „Lebensflusses“ unterzuordnen? Juli Zeh erprobt eine Antwort in einer Figurenkonstellation, gruppiert um die tragische Hauptperson, die Biologin Mia Holl, die in ihrer Präzision an eine experimentelle Anordnung erinnert. Das Buch, entstanden aus einem Theaterstück, woraus sich die scharfe Zeichnung der wenigen Figuren erklärt, wirft die große Frage auf, was als geglücktes Leben gelten kann. Das düstere Bild einer gar nicht fernen möglichen Zukunft, das es entwirft, unterstreicht die Dringlichkeit, sich diese Frage zu stellen. Ein brillant geschriebenes, beunruhigendes und darum lesenswertes Buch.


Albert Riddermann (Emden) empfiehlt: Ronald D. Gerste „Die Heilung der Welt. Das Goldene Zeitalter der Medizin 1840 – 1914“, Klett-Cotta, ISBN 978-3-608-11643-4, 400 Seiten, 24 Euro

Angesichts der Corona-Pandemie scheint der Titel fragwürdig zu sein, aber bezogen auf den fortschrittsgläubigen Zeitabschnitt ist er sehr berechtigt. Der Autor ist Mediziner und Historiker und versteht es, die einzelnen Ereignisse in einen größeren gesellschaftlichen und politischen Zusammenhang zu bringen. Andererseits erzählt er von Einzelschicksalen, z. B. von Joseph Merrick, dem Elefantenmann, der wegen seines schrecklichen Aussehens auf Jahrmärkten zur Schau gestellt wurde. Gerste hat hier ein spannendes, informatives und sehr gut verständliches Werk vorgelegt.






Ralf Dietz (Emden) empfiehlt: Mariam Kühsel-Hussain „Tschudi“, Rowohlt, ISBN 978-3-498-00137-7, 320 Seiten 24 Euro

Hallo, mein Literaturtipp ist „Tschudi“ von Mariam Kühsel-Hussain, erschienen 2020 im Rowohlt Verlag. Schauplatz des Romans ist Berlin um die Zeit 1896 bis 1906. Tschudi ist der neue Direktor der Nationalgalerie. Er zeigt die Bilder von Monet, Renoir und Rodin gegen den Willen des Kaisers und konservativer Kreise der Gesellschaft. Er wird unterstützt von dem großen Maler Max Liebermann. Ein spannendes Stück Zeitgeschichte in einer wunderbaren, gefeierten Sprache der in Kabul geborenen und in Deutschland aufgewachsenen Autorin. Sehr schön ist die
Lizenzausgabe der Büchergilde Gutenberg.