Ein letztes Geheimnis muss bleiben!

Der Osterhase – wer ist das überhaupt? Wie arbeitet er? Und vor allem: wo? Ist er eine Fabelfigur oder gibt es ihn wirklich? Ina Wagner hat sich mit ihm getroffen und ihm viele Fragen gestellt. Meister Lampe stellte jedoch eine Bedingung: Kein Wort über Corona!
Ein humoristisches Interview

Ina Wagner im Gespräch mit dem amtierenden Osterhasen, Meister Lampe. Bild: Iris Hellmich

Kultur in Emden: Herr Hase – oh, darf ich Sie überhaupt so nennen?

Lampe: Nennen Sie mich Meister Lampe – so wie alle meine Mitarbeiter.

Sie haben Mitarbeiter?

Natürlich, die hat der Weihnachtsmann doch auch.

Ist das nicht ein Unterschied?

Nein, überhaupt nicht. Wir beide gehören in das Umfeld eines Brauchtums, das christlich motiviert ist. Nun – mit meinen großen Ohren ist das sicherlich etwas schwer verständlich, aber wir sind so etwas wie Gehilfen – damit der schwere theologische Hintergrund etwas volkstümlicher daherkommen kann.

Der theologische Hintergrund von Ostern ist ja ein ganz wichtiger.

In der Tat. Ostern ist der Festtag der Auferstehung des Herrn. Er ist am Karfreitag gekreuzigt worden und am dritten Tage auferstanden. Mit Ostern beginnt die österliche Freudenzeit.

Und die bunten Eier sind ein Zeichen dafür?

Sie sind ein doppeltes Zeichen: das Ei ist ein Zeichen der Fruchtbarkeit, des Lebens, und es ist ein Zeichen der Hoffnung. Und damit verweist das Ei direkt auf die Bedeutung der Auferstehung.

Hoffnung also.

Ja, genau – und Freude. Und daher sind meine Mitarbeiter bestrebt, möglichst viele Eier vorzubereiten, um es möglichst vielen Menschen symbolisch zu überreichen.

Aber wie geht das vor sich? Und vor allem: wo?

Sie meinen, wie wir das machen?

Ja. Sie müssen schon früh im Jahr anfangen.

Natürlich steht eine gute Logistik dahinter. Aber dafür haben wir ja meinen Stellvertreter, Meister Mümmelmann. Er hat alles im Griff und erledigt auch die Eier- und Farbbestellungen.

Woher kommen denn die Eier?

Heutzutage legen ja alle Menschen Wert auf „bio“. Wir müssen uns da anpassen. Also kommen die Eier heute vor allem von Freilandhühnern. Und für die Bemalung nehmen wir gerne Naturfarben.

So richtig Zwiebelsud für Braun, Spinat für Grün, Karotten für Orange, Johannisbeeren für Rot?

Genau. Wir beziehen die Rohstoffe natürlich in großen Mengen, sonst kämen wir mit der Produktion nicht nach.

Sie gestalten aber auch Sondereditionen.

Natürlich. Wir haben sehr anspruchsvolle Kunden, die sich mit einfachen farbigen Eier nicht mehr zufrieden geben. Also haben wir unsere Spezialisten in besonderen Seminaren ausgebildet. Wir bieten marmorierte Eier, mit Wolle umwickelte Eier, mit Schmuckelementen beklebte Eier. Und neben den klassischen Hühnereiern verarbeiten wir natürlich auch Straußeneier oder besondere Mini-Eier von Zierhühnern. Leider genügt die größte Vielfalt, die wir bieten können, dennoch heute nicht mehr aus.

Auch anderswo gibt es schönes Osterdinge: traditionell bemalte Eier aus Tschechien. Bild: wag

Wie das?

Sehen Sie, die Kinder schreiben heute richtige Wunschzettel. Da genügt nicht mehr das Ei, sondern es müssen Geschenke sein. Aber, ich bitte Sie. Ostern ist doch nicht Weihnachten.

Sie wirken ja richtig verärgert.

Ich liebe Kinder, aber manchmal geht das zu weit. Da werden wir uns etwas einfallen lassen müssen. Es ist schade, dass Eiertrüllen oder Hicken-Bicken nicht mehr genügen. Dabei macht das so viel Spaß.

Was sind denn das für sonderbare Begriffe?

In Ostfriesland lässt man die bunten Eier von den Deichen und Wällen rollen – und hofft, dass sie dabei heil bleiben. Und Hicken-Bicken nennt man es, wenn zwei Kinder ihr gekochten und geschmücktes Ei aneinander stoßen. Der Teilnehmer, dessen Ei die Prozedur heil übersteht, hat das kleine Duell gewonnen.

Sie erwähnen die ostfriesischen Bräuche. Kann man davon ausgehen, dass Sie in Ostfriesland zu Hause sind?

Ha, ha, da haben Sie mich aber erwischt. Wir sind, ich erwähnte es schon, bestens organisiert. Daher gibt es neben unserer Hauptstelle zahllose Filialen.

Und Sie wollen nicht verraten, wo Sie residieren?

Nein, das will und das darf ich nicht.

Vielleicht kann ich das Rätsel lösen?

Wie das?

Wir sind als Kinder mit unseren Eltern oft nach Arle bei Hage gefahren, um Verwandte zu besuchen. Unterwegs kamen wir stets an einem hutzeligen Häuschen vorbei. In diesem sollte je nach Jahreszeit der Weihnachtsmann oder der Osterhase wohnen und arbeiten.

O, das ist aber schon lange her In der Tat hatten wir mal eine solch kleinen Hütte, aber mit den steigenden Ansprüchen wurde es dort zu klein. Ja, ja, das waren noch gemütliche Zeiten. Damals sprachen die Leute ja alle noch Platt. Auch die Kinder. Und die sammelten Eier in ihrem Rummelpot. Dabei sangen sie einen Kinderreim: „Didelum dei, Didelum die, leev Domke, leev Möke geeft mi ’n Paaske-Ei: Nix is nix, een is wat, twe geeft mi, dann ga’t mien Pad.“

Das ist ja wirklich sehr hübsch. Aber lassen Sie uns nochmals auf die Raumfrage zurück kommen. Waren Sie wirklich in dem alten Häuschen? Mein Vater behauptete immer ganz ernsthaft, er habe einen Hasen um die Ecke huschen sehen. Leider waren wir Kinder immer zu spät dran beim Gucken.

Oh je, oh je. Was für ein Pech! Nein, heute haben wir ein schönes, großes Haus und zwei riesige Industriehallen, die genügend Platz für die Arbeit und das Lagern bieten. Aber leider darf ich nicht verraten, wo wir sind. Sie verstehen – Betriebsgeheimnis.

Sie müssen aber doch auch verstehen, dass unsere Leser daran interessiert sind zu erfahren, wo Sie zu finden sind.

Sehen Sie, meine Tätigkeit wird von vielen Menschen skeptisch beobachtet. Meine Person wird ins Reich der Fabel verwiesen. Die Erwachsenen betrachten den Osterhasen ungläubig. Und selbst bei den Kindern erfährt er keine uneingeschränkte Zustimmung. Aber wenn ich nun noch unser letztes Geheimnis lüfte, dann können wir nicht mehr in Ruhe arbeiten. Sie kennen doch die Neigung der Menschen, alles ganz genau wissen zu wollen und dann völlig enttäuscht zu reagieren, sobald das Geheimnis gelüftet wurde. Nein, ein letztes Geheimnis muss bleiben.

Aber vielleicht können Sie etwas über sich selber berichten?

Nun ja, ich bin verheiratet, habe rund 200 Kinder und zahllose Enkel.

Da wird sich ja sicherlich bald ein Nachfolger finden?

Eher nicht. Die meisten Töchter sind im Oldenburgischen, Ammerländischen und Münsterschen verheiratet. Und die Söhne arbeiten in der Produktion mit, sind aber nicht gewillt, in meine Fußstapfen zu treten. Das ist wie in der Menschenwelt. Dort gibt es ja, so habe ich gehört, auch zunehmend Probleme – etwa für die Handwerkerschaft – eine Nachfolge zu finden.

Das ist in der Tat so. Aber hat wirklich auch keine ihrer Töchter Ambitionen auf die Nachfolge als Osterhase?

Nein, überhaupt nicht. Natürlich könnte es auch eine Osterhäsin sein, die meine Nachfolge antritt.

Aber meine Töchter haben anderes zu tun.

Warum gibt es den Osterhasen überhaupt?

Ach, das war eine Idee des Weihnachtsmanns. Der meinte, der Abstand zwischen den Weihnachtsfesten sei für die Kinder zu lang. Da sei es sinnvoll, wenn es ein weiteres Fest für die Kinder gäbe. So entstand Ostern. Damals hatte mich der Weihnachtsmann direkt angesprochen, ob ich die Aufgabe übernehmen würde. Das war 1682.

Wie bitte? Demnach sind Sie schon 339 Jahre alt?

Nein, nein. 339 Jahre alt ist die Idee des Osterhasen, damals von dem Mediziner Georg Franck von Franckenar erwähnt. Ich habe den Job von meinem Vater übernommen, der ihn wiederum von seinem Vater übernommen hat.

Dann ist das Amt des Osterhasen aber doch eine Sache der familiären Weitergabe?

Ja, aber das wird ja nun wohl enden.

Wird es dann keinen Osterhasen mehr geben, Meister Lampe?

Oh doch. Wie kommen Sie denn auf diese Idee. Mein Vertreter, Meister Mümmelmann, hat wirkliches Interesse an dem Einsatz als Osterhase. Somit ist die Nachfolge gesichert.

Da ist im Interesse der Kinder schon mal eine beruhigende Nachricht. Aber dürfte ich wohl noch eine letzte Frage stellen?

Aber bitteschön.

Ich sehe, Sie ziehen an einem Pfeifchen. Raucht der Osterhase?

Ach, das Pfeifchen. Da muss ich dann doch wohl eine kleine Sünde eingestehen. Ich bin nämlich ein schreckliches Leckermaul. Aber ich mag keine Schokolade. Die hübsche „Pfeife“ besteht aus Lakritz. Und ich habe immer viel Nachschub davon …

Meister Lampe, vielen Dank, dass Sie in dieser hektischen Zeit im Vorfeld von Ostern noch Zeit für ein Gespräch gefunden haben.
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Das Kostüm des Osterhasen stellte das Rathauskarree zur Verfügung. Geschäftsfrau Jutta Ludolph verwandelte sich kurzfristig in Meister Lampe. Dafür ein herzliches Dankeschön.

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