Dem Leben einen Rhythmus geben
Wie in Holtland Ostern gefeiert wird
Holtland. Die Kirche ist 750 Jahre und der Maria geweiht. Das schlichte Langhaus führt unter einer Vielzahl von Kerzenleuchtern zum Altar mit seinem Retabel. Dessen Motiv zeigt in berührender Weise das Abendmahl, so wie es sich in vielen ostfriesischen Kirchen findet. Jesus teilt Brot und Wein mit seinen Jüngern. Es ist der Moment, in dem das jüdischen Pessah-Fest sich durch die Worte Christi in das christliche Ostern verwandelt. Es ist ein Zeichen der „Befreiung aus der Knechtschaft der Sünde“, wie Pastorin Dr. Hannegreth Grundmann sagt.
Sie mag dieses Altarbild als den Schlüssel zum eigentlichen Hauptfest des Christentums. Und das wird in der lutherischen Gemeinde Holtland sehr intensiv gefeiert. Insgesamt fünf Gottesdienste verweisen zwischen Gründonnerstag und Ostermontag auf den hohen Rang des Festes. Nach dem Karfreitags-Gottesdienst wird der Altar leer geräumt und anschließend schwarz verhängt. „Damit gedenken wir nicht nur des Todes Christi, sondern auch an Tod und Trauer überhaupt“, sagte Hannegreth Grundmann.
Karfreitag sei ihr noch nie so nah gewesen wie in diesem Jahr. „Es war mir zwar immer irgendwie bewusst, dass der Frieden, in dem wir in Deutschland nun seit 77 Jahren leben, nicht selbstverständlich ist und auch unsere Demokratie nicht, doch wird gerade jetzt, seit dem 24. Februar deutlich, dass es bei weitem nicht selbstverständlich ist, in Frieden und Freiheit zu leben“, überlegt sie und denkt an die Ukraine, dies umso mehr, als auch in Holtland Flüchtlinge aufgenommen wurden. „Mein Mann hatte die neun Ukrainerinnen mit ihren fünf Kindern von Anfang an hier in Holtland begleitet und wird dabei mittlerweile von einem zwölfköpfigen Team unterstützt.“ Ihr Mann, das ist Gemeindepastor Sven Grundmann.
Bei den Osterfeiern steht nach Karfreitag die Nacht von Sonnabend auf Sonntag im Fokus. Die Gemeinde versammelt sich um 23 Uhr in der dunklen Kirche. Dann wird die große Osterkerze singend in den Kirchenraum getragen: „Christus ist das Licht“. Es sei, so sagte Hannegreth Grundmann, ein mächtiges Zeichen für jenes Licht, das Christus in die Welt gebracht habe. An der schön geschmückten Osterkerze werden kleine Kerzen entzündet, so dass die Kirche sich immer weiter erhellt und die Gemeinde sich langsam aus dem Dunkel schält.
Hannegreth Grundmann lebt die starken christlichen Symbole. Für die Referentin von Regionalbischof Dr. Detlef Klahr und Pressesprecherin des Evangelisch-lutherischen Sprengels Ostfriesland-Ems gehört auch das Osterfeuer dazu, weil es wieder mit dem Motiv des Lichtes spielt. Und so sollte in Holtland eigentlich in diesem Jahr die Osterkerze am Osterfeuer entzündet werden. Doch das fiel dem pandemischen Geschehen zum Opfer, und so wird nun ein Feuerkorb vor der Kirche zur Quelle des christlichen Lichtes.
Die Pandemie hat in den letzten beiden Jahren auch in Holtland für starke Einschränkungen bei den Gottesdiensten gesorgt. Für Sven Grundmann bedeutete das, dass seine Kirche zeitweise gar nicht genutzt werden durfte. „Aber in unserer Marienkirche finden seit mindestens 750 Jahren Gottesdienste statt – und nun sollte diese Tradition gebrochen werden?“ Für das Pastoren-Ehepaar war das undenkbar, und es fand eine Lösung. Die beiden feierten gemeinsam mit ihrem Sohn Jann-Keno das Osterfest in der Kirche, bannten das Geschehen auf CD und stellten die Audiodatei zudem auf die Homepage der Kirchengemeinde. Die Resonanz war groß. Und so wurde auch mit dem Abendmahl, der liturgischen Feier zum Gedenken an das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern, verfahren.
Für die Theologin ist das Osterfest noch mit einem sehr persönlichen familiären Ritus verbunden. Der Vater, 34 Jahre lang Pastor in Ladelund in Schleswig-Holstein, pflegte in jedem Jahr zur Todesstunde Christi ganz in schwarz gekleidet still in einem Sessel Platz zu nehmen und des Gekreuzigten zu gedenken, der vor seiner Auferstehung in die Unterwelt hinabstieg, um die Seelen der Gerechten zu befreien.
Und wie geht es in Holtland weiter? Hannegreth Grundmann backt am Ostersonnabend das Osterbrot. Es steht – wieder ein Bild – für Christi Satz „Ich bin das Brot des Lebens“. Weiterhin werden kahle Zweige in die Vase gestellt und mit Eiern geschmückt. Und bald ergrünt der Zweig und erwacht so zum Leben. Auch der Osterspaziergang gehört im Hause Grundmann zum Fest, um die erwachende Natur zu erleben, so wie Goethe es in seinem literarischen „Osterspaziergang“ beschreibt.
Hannegreth Grundmann ist Expertin für die Feier von Gottesdiensten mit Kleinkindern und hat ihre Empfehlungen und Erfahrungen auch in Büchern und Aufsätzen publiziert. Ostern sei besonders geeignet, denn das Überraschungsmoment beim Verstecken, Suchen und Finden von Ostereiern könne man gut nutzen, um schon den Jüngsten christliche Inhalte zu vermitteln. „Kinder sind ja besonders aufmerksame Beobachter.“ Wenn man die Angebote in spielerischer Weise vermittle, seien verblüffende Erfahrungen mit diesen sogenannten Krabbel-Gottesdiensten zu machen. Und nicht zuletzt gehe es auch darum, die Tradition christlicher Feste im Kirchenjahr nicht abbrechen zu lassen. Auf solche Traditionen, die auch dazu beitrügen, dem Jahr eine Struktur und dem Leben einen Rhythmus zu geben, lege man in Ostfriesland immer noch viel wert.
► Die Oster-Gottesdienste in Holtland: Sonnabend 23 Uhr, Ostersonntag 10 Uhr, Ostermontag 11 Uhr Familiengottesdienst