Keine Chance für ein „Noch einmal, bitte!“

Westerhusen. Das dritte Konzert des Krummhörner Orgelfrühlings brachte nochmals neue Aspekte in das Klangerleben. Zur Orgel traten nämlich perkussive Elemente hinzu: Schlagwerk, Kastagnetten, Klangschale. Es ergaben sich dabei bemerkenswerte Effekte – etwa wenn die angeschlagene Schale einen extrem langen Nachhall erzeugte, der der Orgelmusik einen meditativen orientalischen Anstrich gab, oder die rhythmisch eindrücklichen Kastagnetten einen spanischen Zusammenhang anklingen ließen. Wie sich das im Konzert anhört, demonstrierten Christoph Reinhold Morath an der Jost Sieburg-Orgel und Cornelia Milatz mit der Schlagwerk-Begleitung.

Es standen wieder Werke einiger Komponisten auf dem Programm, die schon in Uttum und Rysum erklungen waren. Doch die Wirkung war eine ganz andere. Das war allerdings auch kein Wunder, denn immerhin entstand die Renaissance-Orgel von Westerhusen 200 Jahre später als die gotische Rysumer Orgel.

Stand am Donnerstag im Mittelpunkt: die Sieburg-Orgel von Westerhusen

Morath hatte die ausgewählten Werke gekoppelt an Zitate aus der Bibel und an Worte der Dichterin Nelly Sachs, des Bettelordensgründers Bernhard von Clairvaux und der Komponisten Johann Sebastian Bach und John Cage. Sie halfen nicht nur bei der Strukturierung des Programms, sondern kommentierten es auch. Ganz besonders auffallend war dies mit der Sentenz des Bernhard von Clairvauxs – „Das Kreuz Christi ist eine Last von der Art, wie es die Flügel für die Vögel sind: sie tragen aufwärts“ – dem die berührende „Fantasia Chromatica“ des Jan Pieterszoon Sweelinck folgte.

Morath ist nicht nur Musikwissenschaftler, Theologe, Organist, sondern auch Mathematiker. Und so gestaltete er den Mittelteil des Konzertes mit Musik von Bach und improvisierte dazu. Dabei wurde aus drei Contrapuncten („Kunst der Fuge“) und zwei Improvisationen ein fünfteiliges Werk mit gegenseitigen Bezügen, zu denen zwei aphoristische Sätze von Cage traten – sicherlich der intellektuellste Programmpunkt, den man bisher in diesem Jahr beim Orgelfrühling zu hören bekam.

Begonnen hatte das Konzert mit der Vorstellung der Orgel und ihrer Möglichkeiten. In einem wunderhübschen „Canario“, einer hochgradig tanzfreudigen Komposition eines Anonymus, war nicht nur das Schlagwerk tätig, sondern auch die beiden Zimbelsterne kreisten lebhaft und gaben dem Stück funkelnden Pep. Der Abschluss dieses 1. Teils, den Morath „Ouvertüre“ benannte, bildete – ebenfalls heiter und beschwingt – das „O Lux beata Trinitas“ von Antonio de Cabézon – wir erinnern uns – das war der blinde spanische Hofkomponist, dessen Werk von den Söhnen aufgezeichnet worden war und somit erhalten blieb.

Die Sieburg-Orgel wurde unter Einbeziehung von gotischem Material einer Vorgänger-Orgel gebaut. Sie hat nur ein Manual, sieben Register und ein angehängtes Pedal, aber ihre Klangwelt ist ausgeprägt, und sie behauptet sich ganz ausgezeichnet in der musikalische Welt des 16., 17. und auch noch des 18. Jahrhunderts.

Zum Schluss eine Steigerung? Gerne! Nach dem wunderbar klingenden Sweelinck kam ein zauberhafter Pablo Bruna. Dieser war ebenfalls erblindet, erregte aber mit seiner Musik die Aufmerksamkeit gleich zweier Könige, Philipp IV. und Karl II. Sein Tiento über „La letania de la Virgen“ bot vielfältig verführerische Passagen von hinreißender Bewegtheit.

Ganz zum Schluss aber stand etwas gleichermaßen Ungewöhnliches wie Eindrucksvolles auf dem Programm: eine große Improvisation Moraths, die vom Schlagwerk begleitet wurde und in ihrer rhythmischen Ausprägung so begeisternd ausfiel, dass man ihr noch stundenlang hätte zuhören mögen.

Eine Zugabe bildete Bachs „Aria“ aus den Goldberg-Variationen. Doch so großartig diese Komposition auch ist, war sie tatsächlich zu harmonisch, um die Morath-Improvisation vergessen zu machen. Und es ist schade, dass diese in dieser Ausgeprägtheit einmalig und nicht wiederholbar ist – also keine Chance für ein „Noch einmal, bitte!“

Eingangs hatte der Handglockenchor Pilsum der Ländlichen Akademie Krummhörn-Hinte (LAK) unter Hans-Jürgen Tabel seinen großen Auftritt. Es war eine schöne Idee, den Chor einzusetzen, und noch besser war es, die Spieler dabei beobachten zu können, denn die Handglocken zu spielen ist eine Konzentrationsleistung. Insbesondere der durch die Körperhaltung verursachte „bewegte Klang“ oder das durch Schütteln suggerierte Trillern des Tons wurden in vier Beiträgen eindrucksvoll vorgestellt.