Helligkeit und Schlichtheit

Emder Bürger sorgen auch in diesem Jahr für die Öffnung der Neuen Kirche

Emden. Fragen beantworten sie grundsätzlich gerne, aber manchmal sind es recht skurrile Assoziationen, mit denen sich die „Kirchenöffner“ der Neuen Kirche konfrontiert sehen. So wurde die Kirche wegen ihres prächtigen Turms mit der Krone auf der Spitze schon für eine Moschee gehalten. Oder es kam gesprächsweise der Gedanke auf, dass es sich bei dem Gebäude womöglich gar nicht mehr um eine Kirche handle?

Um den Sommer über in der Kirche präsent zu sein und Besucher zu begrüßen. haben sich in diesem Jahr elf Bürger zusammengefunden, die zwischen dem 20. Juni und dem 2. September jeweils nachmittags dafür sorgen, dass die Kirchentüren von Montag bis Freitag geöffnet sein können, und Gäste der Stadt sich hier willkommen fühlen.

Sie sorgen ehrenamtlich für offene Türen in den Sommermonaten: Kirchenführerinnen und -führer unter dem Portal mit dem alten reformierten Kirchensiegel

„Dieses Jahr hatte ich wirklich die Sorge, dass wir nicht genügend Personal zur Verfügung haben“, sagte Pastor Christian Züchner im Vorfeld des Treffens. Viele bewährte Kräfte hätten sich vorwiegend aus Altersgründen zurückgezogen. Nachwuchs für den Dienst zu requirieren, sei nicht so einfach. Doch die Bedenken waren unnötig. Es fanden sich ausreichend Kirchenöffner ein – und sogar ein Neuzugang war dabei. Sie habe ja schon vor zwei Jahren zur Gruppe stoßen wollen – aber Corona habe dies verhindert. Nun soll es aber werden, und die Kollegen sorgen dafür, dass die nötige Einarbeitungsphase gesichert ist.

Die Neue Kirche vor ihrer Zerstörung

Dabei sind die Kirchenöffner generell flexibel. Das betrifft sowohl die Frequenz ihres Einsatzes, als auch das, was sie mitzuteilen haben. Wichtige Daten und Zahlen haben sie im Kopf, können sich aber auch über die Orgel, die großen Leuchter oder die reformierte Form des Gottesdienstes unterhalten. „Ich bin hier getauft, meine Mutter hat die Steine für den Wiederaufbau geklopft, die Neue Kirche ist meine Hauskirche“, berichtet eine Kirchenführerin und macht deutlich, dass der persönliche Zugang zur Kirche ein mächtiger Antrieb für sie ist. „Und wenn tatsächlich mal nichts los ist, genieße ich eben die Ruhe.“

Das tun auch Gäste, die einfach nur hereinkommen, um die Stille hinter den dicken Mauern des Kirchgebäudes auskosten zu können. Andere wiederum suchen die Unterhaltung und fragen den Kirchenöffnern geradezu „ein Loch in den Bauch“. Und wieder andere kommen herein, um das Kirchenschiff zu suchen und dann erstaunt den Zentralraum zu betrachten. Besonders Gäste aus dem katholischen Süden würden dabei die Helligkeit und Schlichtheit des Kirchenbaus bewundern.

Schwere Kriegsschäden: hier am westlichen Portal an der Brückstraße

Wie haben sich die Kirchenöffner ihr Wissen angeeignet? Bücher über den Bau gibt es ausreichend, dazu Broschüren, kleine Vorträge. Der 2019 verstorbene Emder Geschäftsmann Johannes Barghoorn hatte eine innige Beziehung zur Neuen Kirche. Jahrelang war er als Kirchenführer vor Ort tätig und hat einen Ordner hinterlassen, der auch Bilder der noch unzerstörten Kirche enthält. Solches Material sei für die Gäste besonders interessant, meinen die Kirchenöffner.

Die „offene Tür“ in den Sommermonaten bietet die Evangelisch-reformierte Gemeinde Emden seit 2005 an – unterbrochen nur während der Umbauphase 2011/13.