Alte Musik im Haus von Johanna und Deddine

Das „Organeum – Orgelakademie Ostfriesland“ in Weener feiert sein 25-jähriges Bestehen

Weener. „Ein Geburtstagsgeschenk für einen 12-Jährigen“, sagt Ludolf Heikens – und weist auf einen Kabinettschrank, in dem sich eine klangvolle Orgel aus dem Jahr 1790 verbirgt. Das vor 232 Jahren beschenkte Geburtstagskind war ein Bauernsohn, und der Reichtum der Polderbauern war in jener Zeit gegen Ende des 18. Jahrhunderts legendär. Da verwundere es nicht, dass jeder Bauernhof eine solche Orgel besaß, erläutert Heikens und schaut sich munter im Raum um, wo sechs Gäste der öffentlichen Führung gebannt an seinen Lippen hängen.

An der Kabinett-Orgel des Emder Orgelbauers Ibe Peters Iben spielt Ludolf Heikens die Musik des späten 18. Jahrhunderts

Ludolf Heikens ist künstlerischer Mitarbeiter des Organeums. Er kommt jeden Mittwoch aus dem niederländischen Midwolda, wo er Organist an der mächtigen Hinsz-Orgel von 1772 ist, nach Weener, um durch das Organeum zu führen und Klangbeispiele auf den unzähligen historischen Instrumenten zu geben, die hier eine Heimat gefunden haben. Und der Niederländer spielt alles, was Tasten hat. Ob die besagte Schrank-Orgel des Emder Orgelbauers Ibe Peters Iben oder ein Orgelmodell von 2010, mit dem Schüler die Funktionsweise dieser Instrumente erlernen können. Auch eine sogenannte „Baldachin-Orgel“, das Modell eines originalen Instrumentes aus der Renaissance, stellt Heikens vor – und das alles immer mit passender Literatur der jeweiligen Zeit.

Ludolf Heikens gibt ein Klangbeispiel auf einem Orgelmodell, an dem sich die Funktionsweise des Instrumentes vorführen lässt. Es kommt zumeist in Schulen zum Einsatz. Ganz oben ist sogar ein Zimbelstern eingebaut

Ein Cembalo, das fast nachlässig ganz rechts im Raum steht, entpuppt sich als historischer Schatz für Ostfriesland. Es wurde nämlich 1741 für den Auricher Hof des letzten Cirksena-Fürsten, Carl Edzard, gekauft – und in den 60er Jahren auf dem Dachboden der Ostfriesischen Landschaft wiedergefunden. Das sogenannte Deutsche Cembalo stammt also aus der Zeit Bachs und wurde von Christian Zell in Hamburg gefertigt. Aus der Werkstatt Zells, so berichtet Ludolf Heikens, sind nur drei Cembali erhalten geblieben – eines befindet sich im Museo de la Música in Barcelona, eines im Museums für Kunst und Gewerbe in Hamburg und das dritte in Weener.

Ostfriesische Geschichte: das Cembalo wurde 1741 von Carl Edzard Cirksena gekauft

Ein weiteres optisches wie akustisches Prunkstück der kleinen Reise durch das Organeum ist eine Hausorgel im barocken Stil, die Orgelbaumeister Jürgen Ahrend 1990 gebaut hat – eigentlich für ein Privathaus in Celle. Doch 2014 konnte das Organeum die zweimanualige Orgel mit freiem Pedal mit Hilfe der Evangelisch-reformierten Landeskirche erwerben. Nun steht sie im reich ausgestatteten einstigen Esszimmer des neogotischen Wohnhauses.

Ursprünglich gehörte diese Villa – 1873 als eines von insgesamt vier Häusern gebaut – dem Pferdehändler Jan Hesse. Der brachte in den Gebäuden die Familie unter. Das Haus in der Norderstraße 18 bewohnten Hesses unverheiratete Töchter Deddine und Johanna, die hier ein herrschaftliches Leben führten. In den 1990er Jahren konnte die Stadt Weener das Gebäude, dessen Eigentümer sie ist, für die Nutzung als Orgelzentrum restaurieren. Das geschah damals auf Betreiben von Professor Harald Vogel, der im Steinhaus Bunderhee die Norddeutsche Orgelakademie begründet hatte und 1997 das Organeum.

Prunkvolle Decke im Esszimmer des einstigen großbürgerlichen Wohnhauses, in das das Organeum 1997 eingezogen ist

Seit 2002 ist Winfried Dahlke Leiter des Organeums, ein Mann mit vielen Aufgaben. Er ist Landeskirchenmusikdirektor der Evangelisch-reformierten Kirche, Orgelsachverständiger und Beauftragter für die Organisten-Ausbildung bei den Reformierten, Direktor des Orgelzentrums Organeum – Orgelakademie Ostfriesland, Organist an der Orgel der Großen Kirche in Leer und Orgelrevisor der Evangelisch-lutherischen Landeskirche im Sprengel Ostfriesland-Ems. Damit ist er zuständig für rund 400 Orgeln in Ostfriesland und der Grafschaft Bentheim. Zudem hat er einen Lehrauftrag an der Hochschule für Künste Bremen, ist Mitglied des Arp-Schnitger-Instituts für Orgel und Orgelbau an der Hochschule für Künste Bremen, und er konzertiert selber regelmäßig.

Die Geschichte des Organeums und seiner Finanzierung ist kompliziert. Seit 2006 ruht das Haus auf drei Schulter. Stadt Weener, Evangelisch-reformierte Landeskirche und Ostfriesland-Stiftung teilen sich die Trägerschaft. Dazu kommt noch ein sehr lebendiger Freundeskreis. Gerade hat man beschlossen, baulich nachzurüsten. Die Fassade soll nachgearbeitet werden, und man will einige der ursprünglich hölzernen Fenster rekonstruieren zu lassen. Das alles stimmt Dahlke zuversichtlich.

Winfried Dahlke, Leiter des Organeums und Landeskirchenmusikdirektor der Evangelisch-reformierten Kirche, mit dem neuesten Zuwachs im Organeum, der Walker-Orgel aus Exeter

Ein Geschenk zum 25-jährigen Geburtstag gibt es auch – eine englische Walker-Orgel mit einer besonderen Geschichte. Sie stand nämlich in der Kapelle der Bramdean-School in Heavitree, Exeter. Nach der Auflösung der Schule 2020 wurde das gesamte Inventar versteigert. Der niederländische Orgelbauer Fokke Rinke-Feenstra (Grootegast) kaufte sie und verhandelte schon kurz darauf mit dem Organeum, wo das Instrument eine neue Bestimmung erhalten könnte, wie Winfried Dahlke sagt.

Er hatte auch gleich eine Vorstellung, wo die Orgel künftig stehen soll – im Trauzimmer des Organeum. „Sie ist zwar sehr hoch, hat aber nur eine geringe Tiefe.“ Aber auch bei den Gartenkonzerten, die das Organeum im Sommer anbietet, könnte die Walker-Orgel eine Bereicherung bedeuten. Dahlke: „Sie würde mit den vergoldeten Pfeifen eine hervorragende Aufwertung des Raumes darstellen.“ Bis es soweit ist, wird es allerdings noch dauern. Das Instrument muss noch restauriert werden. Immerhin steht es schon im Organeum. Es wurde auseinander gebaut, über die eiserne Treppe ins Obergeschoss getragen und im Clavierzimmer wieder zusammengebaut. Dahlke verspricht sich von seinen Nutzungsplänen für die Walker-Orgel allerhand Effekt.

Die Sammlung des Organeums geht über den Orgelbereich weit hinaus. Es gibt Cembali, ein Clavicord, Klaviere, verschiedene Harmonien und natürlich die Funktionsmodelle. Alle sind spielbereit. So verbindet sich der museale Charakter des Hauses sehr deutlich mit einem praktischen Anteil. Und so macht es Sinn, wenn Winfried Dahlke darauf verweist, dass hier „die Musik von der Renaissance bis zur Spätromantik stilgetreu wiedergegeben werden kann“.

► Eine Geburtstagsfeier findet am 10. Juli ab 15 Uhr als Gartenfest hinter dem Organeum statt. Es erklingen französische Tanzsuiten von Etienne Valoix, gespielt von dem Barock-Orchester Le Chardon. Zudem wird ein großes Spektrum an Tasteninstrumenten vorgestellt. Mareike Greb und Niels Badenhop zeigen, wie der barocke Tanz funktionierte.

► An jedem Mittwoch findet um 15 Uhr eine Führung durch das Haus statt.