Strahlendes Ereignis in einem Kleinod

Arle. Ein Konzert wie ein Barockgemälde: üppig und farbensatt. Maurice Steger und das La Cetra Barockorchester Basel brillierten in der Bonifatiuskirche in Arle mit norddeutscher und italienischer Musik des 18. Jahrhunderts.

Schon am Eingang war zu hören, dass sich Orchester und Solist außerordentlich wertschätzend über die Kirche und ihre akustischen Qualitäten geäußert hätten und sich äußerst wohl fühlten. Steger bestätigte dies auch während des Konzertes. Ein solches Lob von Seiten der Musiker live von der Bühne gesprochen kommt nicht so oft vor. Man hört es normalerweise erst im Nachgang oder über das Gästebuch. Doch bezeugte Stegers Ansprache nicht nur die überaus positive Überraschung über die Schönheit einer Region und eines Ortes, dessen Name er noch nie gehört habe. Steger hob zudem nicht nur das Kleinod Bonifatius-Kirche hervor, nein er lobte auch mehrfach das Essen, das man ihm und dem La Cetra Barockorchester Basel kredenzt. Und dieser Hinweis dürfte nun wirklich einmal gewesen sein.

Künstlerbetreuerin Berit Sohn hatte nämlich im nahegelegenen Restaurant Schatthuus des Golfclubs Schloss Lütetsburg warmes Essen geordert. Dem Vernehmen nach Geschnetzeltes, Nudeln und Salat. Dass der Schweizer Künstler darüber derart in Verzückung geriet, soll insbesondere an der fein abgestimmten Würzung der Mahlzeit gelegen haben.

Was auch immer es genau damit auf sich hat, der Effekt war sichtbar. Die Orchestermitglieder strahlten, der Solist strahlte. Und damit war klar, dass auch das Konzert ein strahlendes Ereignis werden würde. Stegers Virtuosität auf den Blockflöten ist bekannt. Das konnte man in den letzten Jahren immer wieder beobachten, denn Steger ist ein regelmäßiger Gast der Gezeiten, weil eine Butenostfriesin seine Auftritte regelmäßig fördert. Die Konzertsäle sind dann auch stets ausgebucht, wenn barocke Musik in der Interpretation Maurice Stegers erklingt. So auch in Arle. Bis auf ganz wenige Plätze war der Saal mit 285 Besuchern fast ausverkauft.

In der ersten Hälfte gab es Musik des sehr jungen Händel und des zu seiner Zeit sehr berühmten Telemann, der – so liest man es im Programmheft – quantitativ mehr Musik komponiert hat als Händel und Bach zusammen. Solche interessanten Details bietet der Schreiber des Heftes, Jan Kampmeier, übrigens bei jedem Konzert. Oder wussten Sie, dass Händel und Telemann sich gegenseitig Blumenzwiebeln dedizierten? Oder ist Ihnen bewusst, dass Telemann statt Bach eigentlich Thomas-Kantor werden sollte?

Auch Steger fügte dem noch einiges an Zusatzinformationen bei, indem er darauf verwies, dass das sinnenfeindliche Rom von den Musikern der Barockzeit gemieden wurde, man sich stattdessen nach Neapel wandte, wo Rom weit weg und die weltliche Musik in hohem Ansehen stand. Dort, in Neapel, wirkte einer von Stegers Lieblingskomponisten, Domenico Natale Sarro. Dessen reich ausgeführtes Concerto XI in a-Moll nahm den bedeutsamen Schlussplatz im Programm ein, und es erstrahlte von diesem speziell barocken Kontrast zwischen tiefster Melancholie und größter Heiterkeit.

Sieben Personen umfasste das kleine Barockorchester, das sich auf zwei Spieler verkleinerte, als Vivaldi auf dem Programm stand. Die Größe des Orchesters macht es möglich, jede Stimme zu beobachten und vor allem zu hören. Und da war „La Ceta“ ausgewogen besetzt und spielte nuancenreich und ausgesprochen harmonisch. Die Blockflöten, Steger spielte sehr unterschiedliche, mischten sich immer wieder unter die Streicher-, Cembalo- und Lautenklänge, mal als muntere Spitze, mal als führende Melodie, mal darüber, mal darunter, immer aber enorm präsent. Man wunderte sich, wie wenig sichtbar die physische Anstrengung der Luftführung während der Presto-Passagen war, man staunte, dass es überhaupt möglich ist, eine solche Menge von Noten in derart irrem Tempo zu präsentieren und dabei jede einzelne für sich hörbar zu belassen. Dagegen gestalteten die Musiker die ruhigen Passagen im Largo oder Larghetto hinreißend melodisch.

Kurz: Das Orchester, eine Qualität für sich, bildete den Ruhepol, vor dem Steger seine nahezu halsbrecherischen Aktionen vollführte. Ein großartiger Abend! Zum Abschluss gab es ein Tee-Präsent für die Akteure – und für die Sponsorin eine herzhafte Umarmung des Solisten.

► Das Konzert wurde vom Deutschlandfunk aufgezeichnet und ist am 24. Juli ab 21.05 Uhr in der Sendung „Konzertdokument der Woche“ zu hören. NDR-Kultur sendet den Mitschnitt am 9. Oktober ab 11.03 Uhr im „Sonntagskonzert“.