In der Wald-Arena von Wiesmoor

Das 15. Konzert der Gezeiten fand auf der sanierten Freilichtbühne in Wiesmoor statt

Wiesmoor. Das Thema: „Aufbruch“. Das Orchester: die Nordwestdeutsche Philharmonie. Der Dirigent: Frank Beermann, häufiger Gast bei den Gezeiten. Dazu zwei Sänger: Julia Bauer (Sopran) und Nikolai Schukoff (Tenor). Der Ort: die frisch sanierte Freilichtbühne in Wiesmoor, versehen mit einer riesigen Konzertmuschel. Das sah prima aus und war sinnvoll, weil es bin mittags noch heftig geregnet hatte. Aber passte das alles auch zusammen? Was das Programm für ein Open Air nicht zu anspruchsvoll? War die Musik „zündend“ genug? Waren die Musiker mit dem luftigen Ort überhaupt zufrieden? Es stellten sich also Fragen.

Die große Nordwestdeutsche Philharmonie unter Frank Beermann in der Konzertmuschel auf dem Gelände des Freilichttheaters Wiesmoor. Im Hintergrund eine eigens angefertigte Leinwand mit einem Cello als Symbol für die Gezeitenkonzerte. Bilder: Karlheinz Krämer
Auf der anderen Seite: das erwartungsvolle Publikum

Doch dann kam Entwarnung aus dem Backstage-Bereich. Der Dirigent war äußerst zufrieden. Die Musiker glücklich, weil sie hinter der Konzertmuschel nicht nur erstklassige Räumlichkeiten zum Umziehen und ein Catering vorfanden, das mundete, sondern weil man sich in dem kleinen Waldstück rund um die Anlage ergehen konnte. Zudem zeigte sich das Vogelvolk in den Bäumen geradezu begeistert von der klassischen Musik. Sie tirilierten fröhlich mit – und man hatte den Eindruck, dass sie sogar Verständnis für den Takt zeigten.

Vor dem Konzert: ein durchaus etwas skeptisch aussehender Frank Beermann im Zuhörerbereich mit den sanierten Sitzplätzen
Ungewöhnlicher Übungsort: ein Hornist der Nordwestdeutschen Philharmonie probt im Wald

Das Orchester spielte eine süffige Sinfonie Nr. 9 von Dvorak „Aus der Neuen Welt“ – Anlass für Frank Beermann, schon vorher darauf hinzuweisen, dass der Aufbruch aus der alten Welt, der dadurch impliziert ist, zugleich auch ein Blick zurück in Wehmut und Melancholie ist. Und das nahm man bei dem wundervoll gespielten Largo, das als Klagegesang gestaltet ist, auch überdeutlich wahr. Es wurde engagiert musiziert, voller Wärme und Inspiration. Das war so schön, dass man es lieber in einem Konzertsaal gehört hätte als auf einer offenen Bühne mit einem offenen Zuschauerraum, der viel Ablenkung bedeutete.

Gut bei Stimme: Nikolai Schukoff als Tony und Julia Bauer als Maria

Die vier Songs aus der „West Side Story“ passten hingegen gut in die Freiluft-Atmosphäre, obwohl die Aussteuerung nicht ganz perfekt war. Aber das war nicht entscheidend, denn für „Maria“, „Tonight“ oder „Somewhere“ konnte sich das Publikum deutlich erwärmen. Julia Bauer (Sopran) und Nikolai Schukoff (Tenor) hatten leider nur einen vergleichsweise kurzen Auftritt, entfalteten aber mit großen Stimmen durchaus ihr Potential.

Auch das gehört dazu: Gert Ufkes und Volker Maurer beim Aufstellen der Bestuhlung für die Musiker

„An American in Paris“, der populäre Gershwin-Klassiker, bildete den Schlusspunkt des Konzertes. Und bei diesem musikalischen Spaziergang durch die Seine-Stadt zeigte sich die Nordwestdeutsche Philharmonie unter dem lebhaften Frank Beermann bestechend frisch und unverkrampft und umhegte die Tondichtung mit einer Leichtigkeit, die sich dem Publikum ganz unmittelbar mitteilte. Viel Beifall für einen luftigen Abend in der Wald-Arena von Wiesmoor.