Exquisit und anspruchsvoll

Reepsholt. Düster wirkt die St. Mauritiuskirche in Reepsholt. Und düster begann das Konzert der Gezeiten. Mit einer späten Beethoven-Sonate. Und ebenso, wie die Reepsholter Kirche an Schönheit gewinnt, je weiter man in die farbige Leuchtkraft des Chores voranschreitet, so verbreitet die Sonate 102,2 ihre Faszination im 2. und 3. Satz. Der zweite ist stark lyrisch geprägt, der dritte geradezu exzentrisch für die Zeit.

Tolles Team: Herbert Schuch und Daniel Müller-Schott. Bilder: Karlheinz Krämer

Daniel Müller-Schott (Violoncello) und Herbert Schuch (Klavier) begannen – man möchte es vorsichtig ausdrücken – zurückhaltend. Doch mit einem Mal dominierte da diese bestechende Wärme des Cello-Klangs. Mit einem Mal gewann das Klavierspiel an pointierter Lebhaftigkeit. Und mit einem Mal war das Publikum präsent – und gebannt. Denn das Programm war so exquisit wie seine Durchführung. Musikalischer Luxus pur. Müller-Schott gewinnt seinem Instrument differenzierteste Nuancen ab, gestaltet minutiös und stimmt mit Schuch auf die Zehntelsekunde überein. Und Schuch nutzt die Tasten als Ausdrucksverstärker für seine teilweise abgehackt wirkende Tastenkunst. Die aber ist so präzise auf das Cello abgestimmt, als hätten die beide Musiker nie etwas anderes getan als miteinander instrumental zu kommunizieren.

Ausdrucksstark: Herbert Schuch

Was die beiden, die sich offenbar bestens verstehen, boten, das hatte Tiefe und Ausdruckskraft. Das sentimentale Adagio aus Beethovens op. 102,2 gestaltete sich als schönster Gesang, die Fantasiestücke A-Dur op. 73 von Robert Schumann erkletterten wundervolle Höhen – ganz leicht, ohne jeden Druck, ganz natürlich.

Musikalischer Luxus: Daniel Müller-Schott

Nach der Pause: drei winzige Stücke von Anton Webern. Und tatsächlich. Diese Miniaturen voller ungenannter Emotionen erwiesen sich in ihrer schlichten Formensprache tatsächlich wie ein gekonntes Vorspiel zu der Brahms Sonate Nr.2 F-Dur, dem Hauptwerk des Abends, das derart volltönend erklang, dass man kaum glauben konnte, dass da nur zwei Instrumente beteiligt waren. Der sonore Klang des Cellos verband sich mit dem dynamischen Klavierspiel zu einem unvergleichlichen Ereignis.

Dieses wurde gesteigert durch zwei Zugaben. Das Scherzo aus Beethovens Sonate für Violoncello und Klavier Nr. 3 breitete das Temperament und Klangvolumen Beethovens wunderbar aus, und die Lied-Bearbeitung von Edvard Grieg bot einen lyrischen Ausklang voller Emotion. Die voll besetzte Mauritiuskirche hallte wider vom enthusiastischen Beifall. Ein wahrhaft gelungener, anspruchsvoller Konzertabend.

Picknick im Schatten der Mauritiuskirche mit ihren mächtigen Mauern: