Ein einziger konzertanter Taumel!

Gezeitenkonzerte gastierten mit dem Pianisten Alexander Krichel in der Nikolai-Kirche

Wittmund
. Ein junger Mann mit Stilempfinden: dunkler Anzug, weißes Hemd, keine Krawatte, aber dafür Manschettenknöpfe. Stil verraten auch sein Auftreten – sicher, höflich, verbindlich – und seine Moderation – flüssig, inhaltsreich. Eigentlich ist es ja eine Unterrichtsstunde im Fach Musik, die die Besucher in der Nikolaikirche von Wittmund zu hören bekommen. Aber Alexander Krichel vermittelt so charmant, dass das belehrende Moment nicht auffällt.

Bewegungsstudie: Pianist Alexander Krichel. Bilder: Karlheinz Krämer

Das Programm zeugt von Charakter und von Eigenwilligkeit. Mozart, Chopin, Mussorgski. Das Verbindende? Die Grandezza des Spiels, die mathematische Präzision seines Anschlags, die Virtuosität der Umsetzung. Daneben aber steht die tiefe Innigkeit seines Musikverständnisses. Ein Beleg dafür, dass sich vieles verknüpfen lässt. Der 33-Jährige lässt auch nicht den Hauch von Unsicherheit zu. Er spielt – natürlich – ohne Noten und man fragt sich allen Ernstes, wie man eine derartige Masse an Material so konzentriert, aber auch mit solcher Nonchalance verarbeiten kann.

Kein Blick ins Publikum, sondern ins eigene konzentrierte Innere

Das Publikum, rund 160 Besucher hatten sich in der Wittmunder Nikolaikirche eingefunden, geriet völlig aus dem Häuschen angesichts der Darbietung, die eigentlich alles erfüllte, was man sich an technischer Raffinesse, hanebüchenem Tempo und schönster Ausführung in den langsamen Passagen wünschen konnte. Die Kraft des Ausdrucks schaffte sich auch in der Körpersprache des Pianisten beredt Raum – das Lauschen auf den Ton, das Agieren der Hände, das Senken des Kopfes fast bis zur Tastatur an besonders weichen Passagen. Das machte Eindruck und steuerte in gewisser Weise auch die Emotionen im Publikum.

Die inhaltsreiche Moderation erleichterte den Zuhörern das Verständnis der Musik

Mozart mit dem rassanten Schluss-Satz, Chopin mit den artistischen Variationen über die Mozart-Arie „Reich mir die Hand, mein Leben“ und dann der dritte Höhepunkt – die „Bilder einer Ausstellung“ von Mussorgski mit den sprechenden Satzbezeichnungen, der herrlichen „Promenade“ und dem golden glänzenden „Großen Tor von Kiew“. Ein einziger konzertanter Taumel!