100 Tote auf dem Vogelsangzwinger

Archäologen der Ostfriesischen Landschaft möchten weitere Untersuchungen anstrengen

Emden. Die Grabung des Archäologischen Dienstes der Ostfriesischen Landschaft auf dem Vogelsangzwinger des Emder Walls hat im letzten Jahr mehr menschliche Knochen ans Licht gebracht als bisher bekannt. Das belegt die Fundchronik im aktuellen Emder Jahrbuch 2022.

Die Mitarbeiterin des Archäologischen Dienstes der Ostfriesischen Landschaft, Ines Reese, im August 2021 bei den Ausgrabungen am ehemaligen Falkenhorst, wo bei der Installation eines Fettabscheiders Knochen gefunden wurden. Bild: KiE-Archiv

Beim ehemaligen „Falkenhorst“, der zu einer Kindertagesstätte umgebaut wurde, fanden sich im Sommer 2021 an 23 Stellen Schädel und Knochen. Insgesamt soll es sich um die Überreste von rund 100 Individuen handeln, die hier bestattet wurden. Der Zwinger, der auch als „Dodendwenger“ bekannt ist, wurde als Armenfriedhof genutzt. Hier sollen aber auch englische Soldaten vergraben worden sein, die im Winter 1795 nach kriegerischen Auseinandersetzung im Zuge der Französischen Revolution nach Emden kamen, um von hier aus nach England verschifft zu werden. Diese waren teilweise schwer verwundet und litten an schweren Infektionskrankheiten. Wer starb , soll ebenfalls auf dem Zwinger beerdigt worden sein.

Die Ostfriesische Landschaft möchte die Knochenfunde anthropologisch untersuchen lassen, um herauszubekommen, ob es sich bei den Toten wirklich um Briten handelt. Archäologe Dr. Jan Kegler bestätigte, dass man solche Zugehörigkeiten tatsächlich anhand verschiedener Merkmale an den Knochen erkennen könne.

Eine entsprechende Untersuchung könnte für relativ kleines Geld in die Wege geleitet werden. Kegler benötigt 3500 Euro. Die Arbeiterwohlfahrt, die den Falkenhorst Jahrzehnte nutzte, hat ihm eine Unterstützung in Aussicht gestellt. Bei der Stadt Emden läuft ein Antrag, der derzeit noch nicht beschieden ist.

Die Archäologen sind der Meinung, dass die Funde zum großen Teil dem 18. Jahrhundert zuzuordnen sind, „da die Emder Wallbefestigung nach 1744 an fortifikatorischer Bedeutung verlor und ab dem 19. Jahrhundert dort eine Seilerei ihren Betrieb aufnahm“, wie es in der Fundchronik heißt.

Da nach wie vor die Möglichkeit besteht, dass noch weitaus mehr Menschen auf diesem Armen- und Soldatenfriedhof beerdigt wurden, erwägt die Landschaft, auch auf dem nebengelegenen Freigelände des Zwingers eine Untersuchung durchzuführen, um die Ausdehnung des Friedhofs zu ermitteln.