Schumann und Mendelssohn auf Socken

Gezeitenkonzerte gastierten in der Evangelisch-reformierten Großen Kirche zu Leer

Leer. Ein Programm mit Musik von Mendelssohn-Bartholdy und Schumann boten das ARIS-Quartett und Pianist Matthias Kirschnereit am Montag (18. Juli) in der Großen Kirche zu Leer. Mehr als 300 Besucher genossen ein romantisches Programm, das Gefühlstiefen auslotete.

Blick in die barocke Große Kirche von Leer

Matthias Kirschnereit hatte kurz zuvor noch umdisponiert. Statt einer Clementi-Sonate gab es das Stück „Der Dichter spricht“ aus Schumanns Zyklus „Kinderszenen“ und zwei „Lieder ohne Worte“ von Mendelssohn. Dazu ein Streichquartett von Mendelssohn und ein Quintett von Schumann. Das derart „geschlossene“ Programm war wohl auch der Tatsache geschuldet, dass NDR Kultur das Konzert aufzeichnete. Da möchte man schon feilen – auch bei der Musikauswahl.

Das ARIS Quartett: Anna Katharina Wildermuth, Noemi Zipperling, Caspar Vinzens und Lukas Sieber. Bilder: Karlheinz Krämer

Nach den klangvollen Stücken in gemäßigtem Ton, die Kirschnereit mit gehöriger Andacht spielte, steuerte das ARIS-Quartett Aufwühlendes hinzu: Mendelssohns Streichquartett f-Moll, das in seiner melancholisch aufbegehrenden Art alle Gefühlsebenen von Trauer und Trübsal berührt. Das ARIS-Quartett spielt – historisierend – im Stehen. Doch wie sie spielten, ließ keinen Blick zurück zu. Der satte Ton, das exakte Zusammenspiel, das delikate Klangbild, das erzeugt wurde, der Schwung in der musikalischen Gestik – alles ist frisch und modern und zeugt von allerbester Qualität. Auffallend, wie intensiv man während des Spiels aufeinander hörte, Zwischenblicke tauschte, sich absprach – ohne Worte. Das hatte Klasse.

Spannung im Spiel: Anna Katharina Wildermuth, Matthias Kirschnereit und Noemi Zipperling

Die zeigte sich auch im Klavierquintett Es-Dur von Robert Schumann, dem Ohrwurm-Quintett, das jeder Klassik-Liebhaber rauf und runter mitsingen könnte – wenn es sich denn gehörte. Da es sich nicht gehört, musste man sich mit dem genussvollen Zuhören begnügen. Und das war wunderbar. Mit großer Dynamik stürzten sich alle Beteiligten in diese schöne Komposition, die geradezu jubilierend alle Bedenken hinwegfegt und pure Freude bereitet, selbst im Marsch, der ein Trauermarsch sein soll, aber doch so viel schillerndes Leben enthält.

Zwischen Gemeindehaus und Großer Kirche lässt es sich im Baumschatten auch an einem heißen Abend aushalten

Dem riesigen Applaus begegneten die Musiker mit einer Wiederholung des Scherzos aus dem Klavierquintett. Wunderbar.

Kirschnereit musste übrigens auf Socken spielen. Da er die Pedale des Flügels immer mit einiger Kraft einsetzt, was in der Aufzeichnung unschöne Geräusche verursacht hätte, waren die Mitarbeiter von NDR Kultur auf Nummer sicher gegangen und hatten dem Pianisten einen schuhlosen Auftritt verordnet. Kirschnereit bewältigte auch das mit Eleganz, wobei es aber doch Zuhörer gab, die meinten, dennoch Geräusche aus dem Pedal vernommen zu haben.

Warten auf den Konzertbeginn: Raoul-Philip Schmidt, Volker Maurer und Gert Ufkes

► Die Aufzeichnung des Konzertes wird am 2. August ab 20.03 Uhr im ARD Radiofestival und am 28. August ab 11.03 Uhr im Sonntagskonzert auf NDR Kultur übertragen

► Die Gezeiten pausieren für eine Woche. Das nächste Konzert findet dann am 27. Juli um 19 Uhr im Steinhaus Bunderhee statt. Dort gastiert die Folkband CARA. Am 28. Juli gastieren die Gezeitenkonzerte in der Martin-Luther-Kirche in Emden, wo Trompeterin Tine Thing Helseth mit ihrem Ensemble tenThing auftritt.