Der Schlaf-Zustand als blühendes Leben

Emden. Da ist einer, der lebt wortwörtlich seinen „Traumberuf“. Er ist nämlich berufsmäßiger Schläfer im Labor – als einer von 16 Probanden, die an einer klinischen Studie beteiligt sind, um den Zusammenhang zwischen Schlaf und Gedächtnis zu untersuchen. „Manche sammeln Lehrgut. Ich schlafe“, sagt der Protagonist aus Jochen Schimmangs Roman „Laborschläfer“.

Einmal rund um „Laborschläfer“: Harald Groenewold, Jochen Schimmang und Klaus Frerichs in der Johannes a Lasco Bibliothek

Er heißt Rainer Roloff, ist ein intelligenter studierter Soziologe, der sich nun fokussiert auf jene 20 Minuten zwischen Schlaf und Erwachen, in denen Assoziationsketten das Denken bestimmen. Diese Form des Erinnerns im Dämmerzustand erzeugt lebhafte Konnotationen. Das erste dieser Momente ist im Roman die Barschel-Affäre, die Schimmang mit präziser Analyse vorführt. „Erinnern funktioniert nicht kalendarisch.“ sagte der Autor. Das Erinnern sei etwas, das situationsabhängig aufsteige, ausgelöst durch einen Geruch, ein Deja-vu, durch eine Bemerkung.

Die etwa 60 Besucher der Veranstaltung in der Johannes a Lasco Bibliothek lauschten der Lesung, zu der die Gesellschaft der Freunde der Bibliothek eingeladen hatte, mit aufmerksamer Anteilnahme. Schimmang seinerseits las zügig, nicht ohne manchmal – erheitert vom eigenen Text – verschmitzt zu lächeln.

Der in Oldenburg lebende Schriftsteller, der im letzten Jahr mit dem Italo-Svevo-Preis für sein Lebenswerk geehrt wurde, ist ein zugänglicher Mensch, der die freundliche Begrüßung und Versorgung durch die Literaturfreunde Gabriele und Klaus Frerichs genoss, wie er selber sagte. Er ist zudem ein Autor, der die im Text aufgeführten englischen Songtexte – auch sie ziehen wie wolkiger Nebel durch des Schläfers Kopf – einfach mal singt. Das quillt dann so ursprünglich aus ihm heraus, dass kein Gefühl von Manieriertheit aufkommt.

Begrüßt und verabschiedet wurde Schimmang von dem Vorsitzenden der Freunde, Harald Groenewold. Und der lenkte, gewohnt geschmeidig, den Blick darauf, dass das Traummotiv in der Literatur bis hin zu „Zettels Traum“ eine Konstanz aufweise: der Zustand des Schlafes als blühendes Leben.

Begleitet wurde der Abend durch die Bücherstube am Rathaus, die nicht allein Schimmangs Bücher vorstellte, sondern auch eine Auswahl von Büchern dabei hatte, die sich die Mitglieder der „Freunde“ in Rundbriefen gegenseitig empfehlen.