Spielerische Brillanz trifft auf reife Erfahrung

Emden. Es war ein Abend, wie man ihn nicht oft erlebt. Ein Abend, an dem alles in wundervoller Perfektion ineinander griff und sich dennoch genug aufregende Musik im Programm befand, um einen ständigen Reiz auszuüben.

Pianist Matthias Kirschnereit spielte ein Benefiz für die Hospiz-Stiftung Isensee Emden, aber zunächst einmal spielte er für die Zuhörer in der Neuen Kirche. Knapp 300 waren zusammengekommen – und sie genossen ein Konzert, in dem spielerische Brillanz auf reife Erfahrung traf, in dem temperamentvolle Ausbrüche mit stilvoller Melancholie wetteiferten und in dem die Hörer musikalisch durch verschiedene Länder geleitet wurden: Italien, Frankreich, Polen, England, Deutschland und Argentinien standen auf dem ungewöhnlichen Reiseprogramm, das sich nicht nur geographisch, sondern auch zeitlich keine Beschränkungen auferlegte und munter zwischen dem 16. und dem 20. Jahrhundert pendelte.

Übernahm selber die Moderation: Pianist Matthias Kirschnereit in der Neuen Kirche. Bilder: Karlheinz Krämer

Ein Gewinn für das Publikum und eine Meisterleistung des Pianisten, der mit scheinbar leichter Hand die Stile und Moden unterschiedlicher Komponisten bewältigte, dabei Einblicke in Entstehung der Werke, Befindlichkeiten der Komponisten oder Zeitumstände gab und den alten Emder Steinway in der Neuen Kirche zu leuchtenden Klängen animierte, ihm aber auch einiges abverlangte.

Zwischen den Kompositionen von Muzio Clementi und Alberto Ginastera liegen gut 170 Jahre und ganze Welten in den Ausdrucksformen – zwischen reizender Galanterie und knalligen Tönen mit Jazzanteilen. Emotionale Kontraste boten die „Pavane“ von Thomas Tomkins und Beethovens hinreißende Polonaise C-Dur: angesiedelt zwischen Verlusterfahrung und Trauer und fast überbordender Fröhlichkeit. Dass Kirschnereit sie nahezu übergangslos miteinander verschmolz war nicht nur ein „Wechselbad“, wie er selber erläuterte, sondern bildete auch die ganze Breite menschlicher Gefühlswelten ab.

Spielte vor rund 300 Besuchern ein Benefiz: Matthias Kirschnereit

Debussys „Images“ (Livre 1) bot eine Spielwiese impressionistischer Leuchtkraft und Bewegung. Chopins „Scherzo“ – ein hochvirtuoses Klavierstück von düsterem Charakter – Chopin selbst Kleinod an musikalischem Esprit. Doch dann kam Ginasteras „Sonata“ – ein Stück, das vor Dynamik nahezu platzt und das Kirschnereit mit enormem Druck und unbestreitbarer Energie und lebhaftem Feuer spielte und dabei Motive des Jazz mit großer Frische umsetzte. Der Applaus war vehement. Und Kirschnereit gab drei Zugaben – darunter die As-dur-Etüde von Chopin – so schön, dass mancher Besucher Tränen in den Augen hatte.

Eröffnet wurde der Abend von den Lions-Mitgliedern Ihno Groenewold und Dr. Jan Amelsbarg, die im Co-Referat die Gäste begrüßten.