Ein deutliches Statement in schwierigen Zeiten

Emden. Sie sind in Kiew aufgebrochen – in völliger Dunkelheit, weil kriegsbedingt der Strom ausfiel. Sie haben schon in Warschau gespielt, in Kattowitz, in Antwerpen. Insgesamt stehen auf der Tournee-Liste des National State Symphony Orchestra of Ukraine Konzerte in Deutschland, der Schweiz, Frankreich und den Niederlanden. Dazwischen – Emden.

Stimmungsvolles Konzert in der Bibliothek mit dem National State Symphony Orchestra of Ukraine unter Volodymyr Sirenko mit Solistin Anne Luisa Kramb (Violine). Bild: Iris Hellmich

In der Johannes a Lasco Bibliothek war alles festlich vorbereitet für den Auftritt des ukrainischen Orchesters, das als eines der besten Osteuropas gilt. Im Publikum saß eine größere Gruppe von Flüchtlingen, die auf Einladung von KulturEvents die Gelegenheit wahrnahm, beim Konzert mit Musikern aus der Heimat dabei zu sein. Und sie bekamen tatsächlich auch die Komposition eines aktuellen ukrainischen Komponisten zu hören, die das Orchester wirkungsvoll ans Konzertende gestellt hatte: Valentin Silvestrov (geboren 1937), der in diesem Jahr mit dem Opus Klassik für sein Lebenswerk geehrt wurde, hatte 2002 das Werk „Silent Music“ komponiert. Nun kann Musik nicht „silent“ sein, aber was das Orchester präsentierte, war eine hochmelodische, neoromantische Musik für Streicher, flächig angelegt, sehr ruhig im Verlauf, eingebunden in folkloristische Melancholie und dabei so bilderreich, dass man sie auch als Filmmusik einordnen könnte.

Das war ein geradezu versöhnlicher Abschluss eines Konzertes, das seinen Höhepunkt im Opus 28 von Camille Saint-Saëns erlebte. Solistin Anne Luisa Kramb brillierte mit dem Virtuosenstück des damals 29-jährigen Franzosen, dessen temperamentvolle Tanzrhythmik mit technischen Raffinessen gespickt ist. Frau Kramb (geboren 2000) konnte dabei auf den sehr hellen, aber dennoch satten Klang ihrer Stradivari „Sarasate“ von 1724 setzen.

Ihre wunderbare, hohe Spielkunst erlebte das Publikum aber auch in Mozarts lang ausgedehntem, anspruchsvollem „Violinkonzert Nr. 5“ in A-Dur, das insgesamt einen heiter unbeschwerten Ausdruck vermittelt, den das Orchester unter Leitung seines Dirigenten Volodymyr Sirenko ganz und gar mittrug. Sirenko, 1960 geboren, erweckte den Eindruck eines feingeistigen Musikers, der mit sympathisch unspektakulären Mitteln zum Ziele eines geschlossenen Orchesterklangs gelangt – wobei ihm aus Platzgründen nur etwa die Hälfte seiner Instrumentalisten zur Verfügung stand.

Eröffnet wurde der Abend mit der Musik des Mozart-Zeitgenossen Maxim Berezovsky und seiner „Symphony C-Dur“. Eine besondere Komposition, denn dieses Werk galt seit dem 18. Jahrhundert als verschollen und wurde erst vor etwa 20 Jahren in den Vatikan-Archiven wiedergefunden. Berezovsky ist ukrainischer Abstammung, und so rahmte das Orchester aus Kiew sein Konzert mit der Musik heimischer Komponisten ein. Ein deutliches Statement in schwierigen Zeiten.