Der Schatz vom Filsumer Acker

Ehrenamtliche Sondengänger fanden 96 Münzen aus der römischen Kaiserzeit

Aurich. Das archäologische Forschungsinstitut der Ostfriesischen Landschaft hat gestern im Rahmen einer Pressekonferenz in Aurich einen Münzschatz vorgestellt, den ehrenamtliche Sondengänger 2021 auf einem Acker in Filsum (Landkreis Leer) gefunden haben. Mit der Entdeckung verbinden sich: eine vage Nachricht über eine Fundsituation aus dem 19. Jahrhundert, eine ganze Reihe von Zufällen, eine systematische Suche über Monate hinweg und das hartnäckige Engagement von fünf Sondengängern, die in enger Abstimmung mit dem Forschungsinstitut der Ostfriesischen Landschaft und mit großem zeitlichen Aufwand rund sieben Hektar Acker durchforsteten.

Vergleichsweise klein: die römischen Silbermünzen von Filsum. Im Hintergrund das Logo der Ostfriesischen Landschaft: ein stilisierter Upstalsboom, der das O und das L abbildet

Zu Tage kamen schließlich insgesamt 96 silberne Münzen der römischen Kaiserzeit, geprägt zwischen 69 (Kaiser Nero) und 194 / 195 (Kaiser Septimus Severus) nach Christi Geburt. Der Erhaltungszustand wird von den Fachleuten als „nicht sonderlich gut“ beurteilt. Aber man müsse auch bedenken, dass die Silberstücke rund 1900 Jahre in der Erde gelegen hätten und regelmäßig mit Gülle in Kontakt kamen. „Das könnte man keiner heutigen Münze mehr zumuten. Die würde schon nach ein paar Jahren rostig werden und vergehen“, sagte Sondengänger Carsten Eilts.

Hintergrund für die Suche ist eine Geschichte, die sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts abgespielt hat. Da fand ein Hirtenjunge auf dem Acker bei Filsum durch Zufall einen römischen Denar. Beim genaueren Nachsehen erhöhte sich der Fund auf 25 Münzen, die heute als verloren gelten. Rund 110 Jahre später tauchten nochmals im selben Umfeld zwei Münzen auf, die heute bei der Ostfriesischen Landschaft verwahrt werden.

Archäologische Feldarbeit im Dreck: der Filsumer Acker mit den Sondengängern. Bild: Thomas Schlunck

Als die Auricher Archäologen Sondengänger für den ehrenamtlichen Einsatz „an die Hand nahmen“, wie der Leiter des Forschungsinstituts, Dr. Jan Kegler, es ausdrückt, taten sich fünf von ihnen zusammen und nahmen sich vor, das Rätsel von Filsum zu lösen. Das Ganze dauerte Monate, aber die Fünf ließen sich weder entmutigen noch abhalten. Und dann bekam Jan Kegler einen Anruf. „Jan, Du musst kommen! Wir haben was gefunden.“ Es waren einzelne Münzen, die aufgrund der beharrlicher Suche entdeckt worden waren. Aber da die Sonden nur 10 bis 15 Zentimeter tief in den Boden hineinspüren können, baute sich die Hoffnung auf, dass da noch mehr zu finden sein müsste.

Ein Bagger wurde bestellt, der den Boden hauchdünn schichtweise abzog, so dass die Sondengänger immer wieder neu ansetzen, aber auch den Abraum akribisch durcharbeiten konnten. In 50 Zentimeter Tiefe fanden sich dann – verstreut um ein Zentrum – die Denare. Dass noch mehr Münzen auf diesem Acker liegen könnten, sei nicht vorstellbar, erklärte Sondengänger Sebastian Heibült. „Wir haben 2000 Quadratmeter Fläche auf Links gedreht.“ Dieser Bereich des Ackers, diese 2000 Quadratmeter erschienen aussichtsreich – und genau hier wurden dann auch die Münzen gefunden, obwohl das geradezu ein Wunder genannt werden könne, sagt Sebastian Heibült. Der Zahnarzt aus Wiesmoor ist Sondengänger aus Leidenschaft. „Römische Münzen in Ostfriesland zu finden, ist nahezu unmöglich.“

Ein Denar direkt nach dem Auffinden. Bild: Thomas Schlunck

Anhaltspunkte für eine römische Siedlung oder ein Heerlager in Ostfriesland ergaben sich übrigens nicht. Der Boden sei so oft umgepflügt worden, dass kein Zusammenhang mehr zu erkennen sei, sagt Kegler. Außerdem habe man nichts gefunden, was für eine Siedlung spräche: keine Keramik, kein Hinweis auf Alltagsgegenstände. Kegler kann sich aber vorstellen, dass die Münzen womöglich über Handelsbeziehungen ins Land gekommen sind. Oder haben hier womöglich Tributzahlungen stattgefunden? Vielleicht war es auch eine Soldzahlung oder ein Geldgeschenk? Möglich sei vieles.

Und der Wert der Münzen heute? Unerheblich, sagte der Fachmann. Bedeutsam sei allein der Nachweis, dass es offensichtlich einen Münztransfer aus dem römischen Reich heraus gegeben habe. Und das, obwohl das heutige Niedersachsen außerhalb der Grenzen lag. Welchen Wert stellten die 96 Münzen in der Antike dar? Kegler hat dafür ein Beispiel: Der Sold eines Soldaten lag zur damaligen Zeit bei 900 Denaren pro Jahr. Also stellt der Fund den Lohn für etwa eineinhalb Monate dar. Der Münzschatz soll im Rahmen einer Studio-Ausstellung gezeigt werden. Und zwar zunächst in Remels. Regionaldirektor Carl-Heinz Kloppenburg der Raiffeisen-Volksband im Ort hatte sich um die Finanzierung der Reinigung und einer ersten wissenschaftlichen Beurteilung der Münzen bemüht. 4000 Euro kamen von der Stiftung Ostfriesische Volksbank, 500 Euro legte die Bank in Remels dazu. Er sei richtig in das Thema hineingezogen worden, sagte Kloppenburg am Rande der Pressekonferenz. Und er finde den Fund und das Drumherum „wahnsinnig spannend“.

Herbert Albrecht, Dr. Jan Kegler, Wolfgang Janßen, Carsten Eilts, Sebastian Heibült und Thomas Schlunck mit einer Sonde

Als Sondengänger kann man übrigens nicht einfach so losziehen. Zunächst muss man einen Feldbegehungskurs mitmachen und sich zertifizieren lassen. Dann sei es nötig, jede Aktion mit den Behörden abzustimmen und genehmigen zu lassen. Die Begleitung durch die Archäologie der Landschaft sei dabei ganz wichtig, sagte Sondengänger Thomas Schlunck. Und die Erfolgsbilanz? „Das Gerät reagiert auf Metalle – auch auf Kronkorken.“ Und davon habe er schon eine große Menge aus dem Boden geholt.

Ziemlich stolz auf ihren Fund: Sebastian Heibült, Dr. Jan Kegler und Wolfgang Janßen

Die Zusammenarbeit mit seinen vier Kollegen habe zum Erfolg geführt, weil jeder seine eigene Qualifikation eingebracht habe. Das sieht Landschaftspräsident Rico Mecklenburg genau so: „Der Fund ist tatsächlich eine kleine Sensation, weil hier in den letzten 100 Jahren noch nie so viele römische Münzen gefunden worden sind.“

► Die Sondengänger sind: Sebastian Heibült, Carsten Eilts, Wolfgang Janßen, Thomas Schlunck und Herbert Albrecht.