Assoziation und Suggestion

Großefehn. Kunstkeramik und Landschaften zeigt derzeit die Galerie Ulbargen in Großefehn. Hartmut Bleß, Galerist und bildender Künstler, hat über die kältere Jahreszeit warme Anblicke geschaffen. Gelungen ist ihm das mit Keramiken seines vor fünf Jahren verstorbenen Künstlerkollegen Siegfried Burghoff. Dazu hat er eigene Bilder gehängt, die sich zwischen real und surreal bewegen. Surreal sind auch die fantastischen Kunstkeramiken von Burghoff, die mit Assoziationen und Irritationen in enormer Vielfalt spielen.

Besucherin bei der Betrachtung einer Priel-Landschaft von Hartmut Bleß

Den Hintergrund der Ausstellung erhellen die beiden Töchter von Burghoff, die ihr Elternhaus und damit auch das väterliche Atelier verkauft haben. Dabei sind sie auf einen bis dato ungehobenen Schatz gestoßen, denn viele der Keramiken, die jetzt ausgestellt sind, haben auch sie selber noch nie gesehen. „Alle waren sorgfältig in Papier und Kartons verpackt, aber sehr viele davon kannte selbst unsere Mutter nicht“, sagt Nantke Burghoff. Und ihre Schwester Rieke Kress macht deutlich, wie schwer es der Familie gefallen ist, sich überhaupt mit dem Nachlass zu beschäftigen, wo doch die Werke des toten Vaters „vor Leben und Charakter nur so sprühen“.

Dabei sind kuriose, phantasievolle Objekte entstanden
Nahezu alle Elemente hat Burghoff auf der Töpferscheibe gedreht

Obwohl der künstlerische Stil von Siegfried Burghoff ohne Zweifel extrovertiert genannt werden kann, sei er selbst ein zurückhaltender, introvertierter zugleich aber gastfreundlicher Mensch gewesen. Ihm habe indes eine nahe unbegrenzte Vorstellungskraft zur Verfügung gestanden, die sich in seinen Arbeiten immer wieder aufs Neue gezeigt habe. „Aus einem Klumpen Ton konnte er alles erschaffen!“

Sicherlich habe ihr Vater zum Broterwerb auch Gebrauchskeramik gearbeitet. „Aber sein Herz steckte in den Kunstwerken.“ Eine Fülle davon sind in der Galerie zu sehen, und sie stehen zum Verkauf, weil die Familie sie nach dem Hausverkauf nicht unterbringen kann. Dabei erkennt man schnell, dass buchstäblich jedes Exponat auch ein exquisites Unikat ist. Stück für Stück zeugen sie vom virtuosen handwerklichen Können und einem delikaten Farbkonzept.

Flirrendes Licht: Hartmut Bleß „Landschaft am Ems-Jade-Kanal“

„Wir haben damals an der Kunsthochschule die Keramiker immer etwas belächelt“, gesteht Hartmut Bleß. Da kannte er die Arbeiten von Burghoff allerdings noch nicht. Als Bleß, ein Schüler des bekannten Malers Klaus Fußmann, dem die Kunsthalle Emden 1988 eine große Ausstellung widmete, 1987 aus Berlin nach Ostfriesland zurückkam, war das für ihn eine „gewaltige Umstellung“. Und bald merkte Bleß, der zu jener Zeit ein überzeugter Abstrakter war, dass er kaum gesellschaftliche Kontakte hatte. Siegfried Burghoff und seine Familie wurden so zu geschätzten Freunden – und „Siggis“ Kunstkeramiken zu bewunderten Objekten.

Technische Konstruktion? Urzeitliches Monster? Spiel mit Assoziationen!

Die Arbeitsweise von Bleß hat sich in den Jahrzehnten, die inzwischen verflossen sind, geändert. Ohne das Gegenstandslose ganz zu verleugnen, strebt er heute mehr nach Erkennbarem. „Ich kam an einen Punkt, da hatte ich den Eindruck, ich wiederhole mich nur noch. Alles schien mir flacher und inhaltsloser zu werden. Vor allem wollte ich kein Fußmann-Epigone sein“, beurteilt Hartmut Bleß diesen Wendepunkt selber. Dann malte er ein abgeerntetes Maisfeld und spürte, wie mühelos diese Ansicht „aus meinem Pinsel floss“.

Die Künstler.Töchter Rieke Kress und Nantke Burghoff mit Hartmut Bleß im Ausstellungsraum der Galerie Ulbargen

Dass er dabei kein Freund eines Fotorealismus geworden ist, macht er allerdings auch deutlich. Dennoch wirkt seine Malweise in manchen Bildern genau so. Allerdings verfliegt dieser Eindruck, wenn man sich dem Bild nähert. Die flirrenden Landschaften lösen sich in Systeme von Strukturen auf. Und manchmal bricht die Abstraktion doch hervor. Da wird dann die Farbe zum Träger landschaftlicher Eindrücke, ohne dass wirklich „Landschaft“ gemeint ist. Inspirierend wirken Wolkenformationen („am schönsten sind die im Rheiderland“), Licht, das sich zu surrealen Effekten verdichtet.

Farbe, Licht, Wolken, ein extrem tiefer Horizont – mehr braucht es nicht, um suggestive Momente zu erzielen. Und das Medium der Suggestion ist es dann auch, das Burghoffs Keramiken und Bleß‘ Gemälde verknüpft und sich in der Galerie als spannendes Ensemble präsentiert.
Fahren Sie nach Großefehn und schauen Sie selbst!

► Kunstgalerie Ulbargen, Großefehn, Güldnerstraße 2, im Gewerbegebiet Ulbargen, Ausstellung „Siegfried und ich – Keramik und Malerei“