Wenn ein Weihnachtsbaum Walzer tanzt …

Emden. Wenn also das Lied vom „Tannenbaum“ anfängt, Walzer zu tanzen … dann verbindet man dieses musikalische Erlebnis sicher nicht automatisch mit einem Marinemusikkorps. Doch am Montagabend war alles etwas anders. Zum bereits traditionellen Adventskonzert wurde in diesem Jahr das seit 2019 neu im Aufbau befindliche Marinemusikkorps Wilhelmshaven in Emden begrüßt – wie gewohnt vom Oberbürgermeister. Auch Tim Kruithoff ließ sich das nicht nehmen.

Begrüßt wurde das Marinemusikkorps Wilhelmshaven von Oberbürgermeister Tim Kruithoff. Die Medienabteilung der Hochschule Emden-Leer sorgte mit rotem und gelbem Licht für festliche Stimmung

Das Konzert war über viele Jahre vom Marinemusikkorps Nordsee durchgeführt, dann aber vom Heeresmusikorps in Münster übernommen worden, weil der Bund ersteres Ensemble auflöste. Und weil dem Orchesterleiter die Paulus-Kirche – seit Jahrzehnten Garnisonskirche und Austragungsort des Konzertes – als Veranstaltungsort zu klein war, fand man sich jetzt in der Martin-Luther-Kirche wieder. Rund 50 Musiker spielten da für etwa 300 Besucher. Das hätte wohl den Raum in Barenburg tatsächlich überfordert.

Dass zudem der Chef des Ensembles, Fregattenkapitän Matthias Prock, eine Adventsgeschichte vorliest, die Mitglieder des Orchesters nicht mit ihrem militärischen Rang anspricht und darüber hinaus Tichelis „An American Elegy“ mit den Worten des Komponisten vorstellt, das alles war schon ungewöhnlich. Tichelis hatte den Auftrag bekommen, im Gedenken an den Amoklauf an der Columbine High School vom 20. April 1999 ein Werk zu schreiben, dass der Opfer, aber auch der Überlebenden gedenkt und dies mit den denkwürdigen Worten kommentiert: „Ich hoffe, das Werk kann auch als eine Erinnerung daran dienen, wie zerbrechlich und kostbar das Leben ist und wie eng wir alle als Menschen miteinander verbunden sind.“

Die „American Elegy“ ist ein Werk der Hoffnung, und in so fern passt es in die Adventszeit und in so fern konnte es sich auch gegenüber der vorangegangenen prächtigen „Christmas Ouvertüre“ von Nigel Hess nicht nur behaupten, sondern einen markanten Kontrapunkt setzen. Dann gab es das melancholische irische Traditional „Danny Boy“ in einem Arrangement von Percy Grainger.

Was das Korps allerdings in die Mitte des Programms gesetzt hatte, war zugleich auch der Höhepunkt des Abends. Das Concerto für zwei Trompeten in C-Dur op. 46 (RV 537) von Antonio Vivaldi kann man mit einem Sinfonieorchester spielen, man kann den Orchesterteil der Orgel übertragen, es ist aber auch möglich, das hoch elegante Stück mit seiner mitreißenden Melodik einem Musikkorps und den beiden Solisten Oberstabsbootsmann Volker Reesing und Stabsbootsmann Holger Becker zu übertragen. Wenn man es zudem in einer Basilika wie der Luther-Kirche spielt, dann fegt der Sound wie ein Orkan durch die Halle – und natürlich ist das ein solch reizvolles Erlebnis, dass man gerne auf einen imaginären Knopf gedrückt und es noch einmal gehört hätte. Aber ein Musikkorps ist nun einmal kein youtube-Kanal.

Das neue Marinemusikkorps Wilhelmshaven verfügt auch über eine Brass-Gruppe, bestehend aus einem Dutzend Bläser, die die feierliche Cortège aus der Ballettoper „Mlada“ von Rimski Korsakow einstudiert hatte und nun unter Leitung von Stabsbootsmann Michael Massong präsentierte. Auch hier konnte man die feine Abstimmung der Musiker bewundern, die aus dem ganzen Bundesgebiet nach Wilhelmshaven gekommen sind, um das neue Orchester zu begründen. „So eine Chance bekommt man sehr selten“, meinte Matthias Prock, der sich ebenfalls allein aus diesem Grund in den Norden versetzen ließ.

Der festliche Duktus des Konzertes setzte sich im stimmungsvollen „Canterbury Chorale“ des Jan van der Roost fort, ehe eine Weihnachtsphantasie ein Fülle englischer Lieder zusammenfasste, wobei das Korps munter in einen Bigband-Sound wechselte. In dem Medley fand sich auch „O Tannenbaum“ – und just den brachte das Orchester nicht nur in schwungvollen Tanzrhythmus, sondern regelrecht in Walzerstimmung.

Wie es sich gehört, endete der Abend mit einem gemeinsam gesungenen Adventslied „Mach hoch die Tür“. Es soll nicht verschwiegen werden, dass es schön war, das Adventskonzert wieder in Marine-Blau zu erleben – zumal Fregattenkapitän Prock versprach, dass die alte Tradition neu belebt werden soll – was soviel heißt, dass die Wilhelmshavener wiederkommen werden. Nur zu!