Löwenkopf-Suche weiterhin erfolgreich

Emden / Neermoor. Die Johannes a Lasco Bibliothek hat erneut zwei Hinweise bekommen, die sich auf den Fund von Löwenköpfen richten. Wie berichtet, versucht die Bibliothek, fehlende Schmuck-Elemente vom Grabmal Ennos II. aufzuspüren und setzt darauf, dass vorausdenkende Menschen solche Teile nach dem Krieg aus dem Trümmerschutt geborgen und damit gerettet haben. Bisher ist es gelungen, sieben Löwenköpfe zurückzuführen, die ursprünglich in der Basis des aus dem 16. Jahrhundert stammenden Cirksena-Grabmals saßen. Doch ein Ende der Rückgaben ist damit offensichtlich noch nicht erreicht.

Der prächtige Löwenkopf, den Dr. Klaas-Dieter Voß hier hält, wurde 77 Jahre lang im Haus Gronewold in Neermoor aufbewahrt. Edith und Johann Gronewold haben sich jetzt entschlossen, ihn der Johannes a Lasco Bibliothek zu übergeben

Kurz vor Weihnachten meldete sich ein Ehepaar aus Neermoor. Man habe einen Stein im Haus, der offenbar in die einstige Große Kirche gehöre. Es handelt sich um einen weiteren der 35 mal 30 Zentimeter großen Löwenkopf-Reliefs, die in die Basis des Grabmals eingelassen sind. Und das Stück ist in nahezu perfektem Erhaltungszustand. Zurückerstattet wurde das Sandstein-Stück von Familie Gronewold.

Die Geschichte, die sich mit dem Neermoorer Löwenkopf verbindet, führt ins Jahr 1945 zurück. Damals hätten kanadische und englische Truppen eine Brücke über die durch den Ort führenden Hauptstraße gesprengt, um den Verkehr lahmzulegen, berichtet Johann Gronewold. Um die Lücke zu schließen, wurde Trümmerschutt aus Emden geordert, der per Lastwagen geliefert und auf einem Acker neben der nicht mehr vorhandenen Brücke abgelegt wurde. Johann Gronewold, dessen Familie das Grabstein-Fragment 77 Jahre lang bewahrt hatte, war damals zwei Jahre alt und hat keine Erinnerung mehr an die genauen Vorgänge.

Auf diesem Feld neben der Straße wurde der Trümmerschutt aus Emden zwischengelagert, bis er eingesetzt wurde, um die Straße wieder herzurichten. Johann Gronewold und Johann Fasse an der Fundstelle

Aber die älteren Brüder Hinrich und Wilhelm sowie deren Freund Johann Fasse, berichteten ihm später, dass gleich oben auf dem angefahrenen Schutt jener Löwenkopf des 16. Jahrhunderts gelegen habe, der sich nun wieder in der Johannes a Lasco Bibliothek befindet. Und Johann Fasse hat noch ganz genau vor Augen, wie der Stein damals abgeschleppt wurde. Die Kinder hatten zwar keine Vorstellung, was sie da entdeckt hatten, doch fanden sie den Löwenkopf interessant. „Ich weiß noch, dass wir Nachbars tote Katze in einer Munitionskiste beerdigt und den Löwen als Grabstein genutzt haben“, sagt Johann Fasse – und wundert sich selber darüber, wie lebhaft ihm das Geschehen noch vor Augen steht.

Der Stein landete schließlich im Garten von Familie Gronewold und diente auch dort als „Grabstein“ für verstorbene Haustiere. Jeweils ein Jahr lang deckte der Löwenkopf eines der Tiergräber, berichtet Johann Gronewold. Schließlich aber fand das Relief seinen Platz unter dem Kompost.

Vorkriegsaufnahme des Enno-Grabes im südlichen Seitenschiff der Großen Kirche. Die wappenhaltenden Löwen werden immer noch gesucht

Ein Besuch des Ostfriesischen Landesmuseums in Emden in den 80er Jahren brachte Edith und Johann Gronewold die Erkenntnis, dass der Löwenstein wohl eine historische Bedeutung hat. „Aber wir waren damals noch nicht soweit, ihn zurückzugeben.“ Immerhin holte Gronewold den Stein unter dem Kompost hervor und brachte ihn ins Haus, wo er zunächst mit einer selbst gebauten Konstruktion über dem Kaminofen, später über der Tür zum Esszimmer installiert wurde.

Als Johann und Edith Gronewold in der Zeitung lasen, dass die Johannes a Lasco Bibliothek darum bemüht ist, das steinerne Schmuckwerk des Grabmals wieder zu komplettieren, begann in Neermoor das große Nachdenken. Schließlich überwanden sich die Eheleute und entschieden, das lieb gewordene Sandsteinstück zurückzugeben.

Dr. Klaas-Dieter Voß, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Johannes a Lasco Bibliothek, holte es in Neermoor ab. Sein Erstaunen gilt der Tatsache, dass nunmehr insgesamt acht Relief zurückgegeben wurden, aber nur sieben freie Plätze am Grabsockel bestehen. Er könnte sich vorstellen, dass einst wesentlich mehr als die bisher angenommenen insgesamt 20 Löwenköpfe das Grabmal schmückten. Belege dafür gibt es allerdings derzeit nicht.

► Zwei Tage später erfolgte eine neuerliche Fundmeldung eines Löwenkopfes aus Wolthusen. Dort bewahrt Petra Olthoff ein historisches Relikt, das bisher im Freien lag und das Rosenbeet der Familie schmückte. Der Stein aus dem alten Emden stammte vom Urgroßvater der Schenkerin. Der hatte ihn aus dem Trümmerschutt der zerstörten Stadt gezogen und die Familie geheimnisvoll angewiesen, niemals in der Öffentlichkeit über das Stück zu reden. Der Stein kam auf den Dachboden, wo Petra Olthoff ihn als Kind immer besuchte. Als der Urgroßvater starb, erbat sie sich den Löwenkopf als Erb- und Erinnerungsstück.

Grimmiger Ausdruck, großer Ring, schmaler Unterkiefer: der Löwenkopf, der vermutlich aus dem 19. Jahrhundert stammt

Erst als sie in der Zeitung von der Suchaktion der Johannes a Lasco Bibliothek las, wurde ihr klar, dass der Löwenkopf nicht in den Rosengarten gehört. Allerdings handelt es sich bei dem Stein auch nicht um einen der großen Löwenköpfe von der Basis des Prunkgrabes. Noch wird danach geforscht, wohin das stark von Rissen durchzogene Fragment überhaupt gehört.

Denn anders als der Sandstein-Kopf aus Neermoor, der aus dem 16. Jahrhundert stammt, ist der Wolthuser Kopf wohl ein Relikt des 19. Jahrhunderts. Nach einer ersten Begutachtung durch Klaas-Dieter Voß könnte es sich womöglich um einen Steinguss handeln, der zur Stabilisierung mit Armierungen aus Eisenstücken versehen wurde. Auch ist er mit rund sieben Kilo Gewicht deutlich leichter als der 17 Kilo schwere Neermoorer Löwe.

Für Petra Olthoff war es wichtig, den Stein zurückzugeben. „Er soll dahin zurück, wo er hingehört.“ Gleichwohl fällt ihr der Abschied ebenso schwer wie dem Ehepaar Gronewold. Denn an dem Relikt hängt nun einmal die Erinnerung an den Urgroßvater, der Seemann war, im Boltentorsgang wohnte und 1977 im Alter von 90 Jahren starb.

Auch er hat eine stattliche Größe, weist aber Bruchkanten auf: der Wolthuser Löwenkopf

► Während jetzt die Zuordnung der beiden Steine läuft, geht parallel die Suche nach weiteren Relikten aus der einstigen Großen Kirche weiter.
Die Johannes a Lasco Bibliothek ist erreichbar unter Telefon 0 49 21 / 9 15 00.

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