Neues wagen!

Aurich. 15 Jahre und acht Monate war Katrin Rodrian Leiterin der Kulturagentur der Ostfriesischen Landschaft. Dann kündigte sie ihre Stelle. Die Corona-Pandemie hatte Zeit zum Nachdenken gegeben, und die leidenschaftliche Netzwerkerin hatte sich entschlossen, Neues zu wagen. Als Nachfolgerin von Uda von der Nahmer hatte man ihr gegenüber einst davon gesprochen, dass sie in „große Fußstapfen“ trete. Das bedeutete für die gebürtige Münchnerin allerdings eher Ansporn als Abschreckung. Ihre Strategie: Auf anderen Pfaden wandern und sich ein eigenes Betätigungsfeld erarbeiten.

Kurz vor der Verabschiedung: Katrin Rodrian vor einer der Upstalsboom-Eichen im Garten der Ostfriesischen Landschaft. Bild: Graber

Und dieses Betätigungsfeld fand Katrin Rodrian „in allem, was in Ostfriesland an Themen da war“. Dazu gehörte jüdisches Leben in Ostfriesland, Frauenleben in Ostfriesland, Bräuche, Teekultur und Kulturtourismus. Als Mittelpunkt ihrer Arbeit aber kristallisierte sich immer stärker das Thema „Friesische Freiheit“ heraus. Schon 2007 beantragte Katrin Rodrian die Aufstellung zweier Schilder an der Autobahn. Das war ungewöhnlich, weil damals nur Städte und Denkmäler, aber keine Begriffe beworben werden durften. Zwei Jahre dauerte das Antragsverfahren, dann wurde es ihr zu bunt. Katrin Rodrian fuhr selber nach Oldenburg und „polterte los“. Zwei Wochen später hatte sie ihre Schilder.

Dabei verfolgte die Kulturagentur-Chefin einen eigenen Gedankengang: „Die Friesische Freiheit sagt den Kindern und Jugendlichen heute nichts mehr“, hatte sie festgestellt. Aber die Touristen würden die Einheimischen fragen, was es denn mit der Friesischen Freiheit auf sich habe. So seien die Ostfriesen zu Erklärungen genötigt – und müssten sich mit dem Thema beschäftigen. „Man muss den Menschen über die visuelle Darstellung eine politische Information vermitteln.“ Das ist die Erklärung der studierten Ikonographin für ihr Erfolgsrezept.

Und ein Erfolg wurden die Schilder – vor allem aber die Botschaft. Als irgendwann nach der Installation der Hinweise ein Schlachter anrief und nach der Erlaubnis fragte, Würste mit dem Logo der Friesischen Freiheit zu bewerben, da ließ Katrin Rodrian die Wort-Bild-Marke beim Deutschen Patentamt in München schützen. Gleichzeitig entwickelte sich die Idee, Menschen mit dem vekleinerten Aufkleber „Friesische Freiheit“ auf Reisen zu schicken. Aus der ganzen Welt schickten Ostfriesen Fotos von ihren Urlaubsorten – als Selfie vor spektakulären touristischen Motiven mit dem braun-weißen Logo in der Hand. „Das läuft bis heute.“ Und tatsächlich kam zwei Wochen vor ihrem Abschied von der Kulturagentur noch ein Foto aus Rom. Es gab nur ein Projekt, mit dem sie scheiterte. Das war der Versuch, eine Sonderbriefmarke „Friesische Freiheit“ zu beantragen. Aber ansonsten kann Katrin Rodrian knapp resümieren: „Die Friesische Freiheit war mein Thema!“

Wie hat alles angefangen? Mit Musealog. Fünf Jahre leitete sie die akademische Weiterbildungsmaßnahme. Dann kam die touristisch ausgerichtete Maßnahme „Regialog“ hinzu. Und es kristallisierte sich nach und nach ein Wunsch heraus: „Nachfolgerin von Uda von der Nahmer zu werden – das könnte mir gefallen.“ Sie schrieb eine Bewerbung – und schickte sie nicht ab, zu vermessen erschien ihr dieses Tun.

Das war 2007: Katrin Rodrian zu Beginn ihrer Arbeit für die Ostfriesische Landschaft

Dann traf sie – am Tag des Einsendeschlusses – einen Mitarbeiter der Ostfriesischen Landschaft . Und der ermunterte sie, sich doch noch zu bewerben – und so geschah es dann. Erschrocken stellte Katrin Rodrian fest, dass sie die 247. Bewerberin war – und rechnete sich wenig Chancen aus.. Das Ergebnis des zweiten Vorstellungsgesprächs erfuhr sie bei einem Besuch in Kalifornien. Sie hatte obsiegt und 246 Kandidaten hinter sich gelassen. Ihre neue Aufgabe trat sie am 16. Mai 2007 an. Ein Manko habe es gegeben: sie konnte kein ostfriesisches Platt. Doch ihr Hinweis, dass ihre Mutter Norddeutsche sei und sie große Teile ihrer Kindheit bei den Großeltern in Husum verbracht hatte, wo Oma und Opa nordfriesisches Platt gesprochen hätten, galt als ausreichende Qualifizierung.

Heute wohnt Katrin Rodrian in Aurich – wo sie auch bleiben möchte. Denn in Ostfriesland zu arbeiten und zu leben, sei die beste Entscheidung ihres Lebens gewesen. Natürlich gehen ihre Gedanken zurück. Da waren die Themenjahre wie etwa „Abenteuer Wirklichkeit“, „Land der Entdeckungen“ oder „Garten Eden“, in der sich die Kultur eng und höchst erfolgreich mit dem Kulturtourismus verband.

Über 15 Jahre war die Kulturagentur so erfolgreich, dass sie immer wieder Preise erhielt. 2012 zeichnete das niedersächsische Wirtschaftsministerium die Kooperation von Ostfriesischer Landschaft und Ostfriesland Tourismus GmbH in Kooperation mit vielen Netzwerkpartnern aus Kultur und Tourismus zum Beispiel als „Best-Practice“ auf Landes- und Bundesebene im Bereich „Kulturtourismus“ aus.

Die Ostfriesen würden in der Sicht von außen eben immer als Kulturregion angesehen. In dieser Funktion lud die britische Botschaft 2009 statt – wie eigentlich üblich – kein Bundesland ein, sondern Ostfriesland. Die Delegation fuhr nach London – und dann erlebten die britischen Gäste ihr blaues Wunder. „Wir haben die Bude gerockt.“ erinnert sich Katrin Rodrian mit Behagen. Die Besucher seinen keineswegs brav nach zweistündiger Pflichtveranstaltung nach Hause gegangen, sondern geblieben. Der Morgen dämmerte schon, als die letzten nach Hause gingen.

Bei der offiziellen Verabschiedung hob Landschaftspräsident Rico Mecklenburg Katrin Rodrians Verdienste als jahrelange Leiterin der Kulturagentur hervor. Bild: Schatz

Bezeichnend sei auch die Reaktion von Studenten der Uni Kiel gewesen, die im Rahmen ihres Geographie-Studiums jeweils eine Woche in der Oberlausitz und in Ostfriesland verbracht hätten. „Die jungen Leute fanden die Oberlausitz deprimierend. Von Ostfriesland waren sie dagegen total begeistert.“

Katrin Rodrian wird nachdenklich. „Ich habe meine Arbeit geliebt“, sagt sie ein wenig versonnen. Doch sie verlasse die Ostfriesische Landschaft nun auf eigenen Wunsch. Warum das? Sie zögert. Es gibt da noch einige Pläne, Visionen, Dinge, die sie noch erleben möchte.

Was hat die Scheidende ihrem Nachfolger Dr. Welf-Gerrit Otto, für dessen berufliche Zukunft geraten? „Suchen Sie sich ihren eigenen Weg!“ Es ist derselbe Ansatz, den sie sich vor knapp 16 Jahren selber verordnet hatte.