Dynamische Präsenz, die Zukunft atmet

Das Mendelssohn Kammerorchester Leipzig gastierte in der Johannes a Lasco Bibliothek

Emden.
Das schönste Stück des Programms? Nein, nicht eine der beiden Kompositionen von Felix Mendelssohn-Bartholdy oder die Volkmann-Serenade oder die Novellette für Streicher des Schweden Niels Gade, sondern die lyrische Ballade „La mort d’Ophélie“ von Hector Berlioz mit dem Cellisten Peter Bruns. Sein volltönendes Instrument beherrschte die Szene in der Johannes a Lasco Bibliothek. Ein Moment glückseliger Schönheit entstand, zart, entrückt, wie ein Märchen aus vergangener Zeit, das nachhallt.

Cellist Peter Bruns – Solist und Dirigent des Orchesters – inmitten der Musikerkollegen des Mendelssohn Kammerorchesters Leipzig.
Bild: Iris Hellmich

Dass nun gerade die Zugabe – ein Lied von Clara Schumann – umgearbeitet für Streicher – der Ballade fast den Rang abgelaufen wäre – das hätte man wohl nicht erwartet, aber die delikate romantische Stimmung ergoss sich in den historischen Saal wie Balsam.

Das Mendelssohn Kammerorchester Leipzig spielte ein Programm, dass just auf eine CD gebannt wurde und „Cosmopolitan Mendelssohn“ betitelt ist. Welch glücklich Idee, sich dem jugendlichen Komponisten zu nähern, indem man schaut, welche Musik zeitgleich komponiert wurde, welche Freunde oder geschätzten Kollegen es gab, welche musikalischen „Feinde“. Darunter befindet sich auch Gaetano Donizetti, dessen Sinfonia d-Moll wie die Besetzungsliste einer Oper anmutete. Es gibt tatsächlich immer wieder Neues im Bekannten zu entdecken.

Niles Gades „Novellette“ war wie das Lesen eines Journals, in dem Gutes und Böses aufeinandertrifft, mal plaudernd, mal emotionsvoll diskutierend, immer aber mit Stil. Und bei Robert Volkmann traten Cello und Streicher in einen munteren, höchst fruchtbaren Dialog – und das in feinster und vornehmster Weise.

Eingerahmt wurde das Programm von zwei Werken des 12- bis 14-jährigen Mendelssohn – das erste, ein Sonatensatz wohl zu Übungszwecken für den Kompositionslehrer entwickelt, wie Peter Bruns, der auch moderierend auftrat, meinte. Das zweite Werk, eine viersätzige Streichersinfonie, ließ ganz delikat und wie ein Hauch, der Zukunft atmet, den reifen Mendelssohn schon erahnen – vor allem, wenn die Musik in so zupackender, aber auch kluger Weise präsentiert wird, wie es die Leipziger praktizierten.

Interessanterweise trat der Dirigent Peter Bruns als leitender Primus inter pares, aber auch als Solist auf, während Konzertmeister Gunnar Harms vom ersten Pult aus die Leitung übernahm. Man muss wissen, dass Harms selber Dirigent ist. So wurde diese Konstellation eines Orchesters mit zwei, sehr aufeinander abgestimmten Leitern verständlich. Auffallend war die gute Stimmung unter den dreizehn Streichern, die mit freundlichen Blicken nicht geizten.

Da warf Harms seiner Kollegin auf der anderen Bühnenseite zum Konzertende einen Handkuss zu, wurde das Gastgeschenk, ein großes Tee-Präsent interessiert aus den Augenwinkeln begutachtet, gab es Umarmungen unter den Musikern. Wer so sympathisch eine derart dynamische Präsenz zeigt, auch wohl ein bewunderndes Wort über den Veranstaltungsort einflicht und sich offenbar rundherum wohl fühlt, der sollte nicht das letzte Mal in Emden willkommen gewesen sein.