Stimme pur im „krassen“ Saal

Emden. Die Stimmflut, ein A-capella-Abend, fand wieder statt, und das Haus war ausverkauft – in diesem Fall die Johannes a Lasco Bibliothek – ein Ort, der von allen Beteiligten unisono mit Worten wie „großartig“, „krasser Saal“, „besondere Location“ bezeichnet wurde. Vom Veranstaltungsort her stimmte also alles, und die drei A Capella-Gruppen waren bestens eingestimmt – ebenso wie das Publikum, das von Anfang an für Stimmung sorgte, allerdings und das muss ausdrücklich betont werden – immer noch so, dass es dem Ort angemessen war.

Alle Beteiligten gemeinsam auf der Bühne – ein bekanntes Schlussbild bei der „Stimmflut“. Bilder: Iris Hellmich

Die erste Formation „Fopp“ – noch nicht lange beisammen und quasi als Gegenposition zu Corona gegründet, hatte sich Beziehungen und Befindlichkeiten vorgenommen und wusste diese Thematik stimmlich versiert zu präsentieren. Ein besonderer Gag war der letzte Song „Ich will noch nicht geh’n“. Der Sänger blieb solo auf der Bühne und sang leise vor sich hin, während schon der Aufbau für die nächste Gruppe lief.

Gestalteten den Auftakt: Fogg

Das war „Gretchens Antwort“ und dieser Name nahm zwar nicht Bezug auf die „Gretchen-Frage“ des Goethe-Dramas „Faust“, bot aber ausgefeilte Arrangements aus und im Stil der 20er Jahre. Das kam beim Publikum bestens an, denn die Formation setzte seine Sangeskunst zusammen wie ein kubistisches Gemälde, es gab Neugliederungen, Brüche, Verschiebungen. Bekanntes wurde vorgestellt und dann immer wieder neu wagemutig zusammengesetzt. Ein Beispiel dafür war der Evelyn Künneke-Schlager „Ham se nich nen Mann für mich“, der einmal als Original gesungen und dann expressionistisch gebrochen wurde. Das war großartig, zumal die vier Frauenstimmen sensibel zusammengeführt wurden und die Arrangement von hoher Qualität waren.

Im Stil der 20er Jahre: „Gretchens Antwort“

Höhepunkt des Abends aber war – man merkte es am deutlich steigenden Applaus-Pegel, „Viva Voce“. Das ist jene Formation, die für das Format „Stimmflut“ immer wieder neue Kombis zusammenstellt und sich selber den Platz nach der Pause sichert. Viva Voce hatten wieder einen ganzen Korb voller ideenreicher Neuerungen dabei. Die vier Sänger griffen aber auch auf Bewährtes zurück – etwa die Geschichte des „mitgeschleiften Gatten“, oder sie stellten ihren „Spezialisten für Konsonanten“ vor, Andreas Kuch, der „Mouth Percussion“ betreibt und damit erstaunliche Effekte erzielt. Und das Neue? Nun zum Beispiel ein sprachlich schön getroffenes Faschingsprogramm über 100 Jahre Disney. Die Vier sind nämlich seit einigen Jahren bei der Fastnacht in Franken dabei und zeigten in Emden ihr aktuelles Programm, wobei sie die eigentlichen Texte auf die Zeitgeschichte, speziell den Klimawandel umgeschrieben hatten. Es gab also Songs aus dem „Dschungelbuch“, aus „Mary Poppins“, „Titanic“ – das sorgte für helle Begeisterung beim Publikum.

Breit aufgestellt: „Viva Voce“. Die Formation besteht seit einem Vierteljahrhundert

Für Heiterkeit sorgte die Präsentation der vier sängerischen Ersatzleute von Bastian Hupfer, David Lugert, Andreas Kuch und Heiko Benjes – vier kleine Puppen mit eigenem Gesangspart – ganz zauberhaft. Für die Zuhörer im südlichen Seitenschiff verließen die Vier die Bühne, ließen die Mikros zurück und sangen pur das unverwüstliche „Hallelujah“ von Leonard Cohen. Am Schluss gab es ein Beatles-Medley aus „Yellow submarine“, „Black Birds“ und „Twist and shout“, Riesenbeifall und ein Schlusslied aller drei Formationen – auch dies ohne Verstärkung, nur Stimme. Ein wunderbar unterhaltsamer Abend in der ausverkauften Bibliothek.