Vom Umgang mit dem Unsichtbaren

Engerhafe. Wie richtet man eine Ausstellung ein, wenn man so gut wie keine Objekte zum Ausstellen hat? Vor dieser Problematik stand Dr. Simone Erpel, als sie mit der Arbeit begann. Erpel berichtete davon bei der Feier zur Eröffnung der Gedenkstätte Engerhafe am Sonnabend (25. Mai).

Volles Haus bei der Eröffnung der Gedenkstätte. Die Ansprachen fanden im Gulfhof Ihnen statt. Bilder: Wolfgang Mauersberger

Es gab keine Fotos vom Lager im Dorf, keine Zeichnungen von Häftlingen. „Die Geschichte des Lagers war visuell nicht mehr sichtbar.“ Und eben diesen Aspekt machte sie dann zum Thema der Ausstellung. Sie beschäftigte sich mit der Topographie des ehemaligen Lagers, der Baugeschichte, mit der Entwicklung des Dorfes, mit dem Aufbau des Bracken. Mit vier ehemaligen Häftlingen konnte sie noch Interviews machen. Dann gab es die Totenzettel mit den Namen der Gestorbenen.

Schlüsselübergabe: Pastorin Katharina Herresthal und Hilke Osterwald

Zudem war es möglich, die Biographie von acht einstigen Häftlingen zu rekonstruieren. Dann fand sich doch noch ein Tagebuch, das ein Häftling geführt hatte, und schließlich war da noch ein Brief einer Zwangsarbeiterin, den diese an ihre Schwester geschrieben hatte, die in einem anderen Lager in der Nachbarschaft arbeitete. Die große Karte von Alwin de Buhr, die mehr als 400 Lager in Ostfriesland nachweisen und verzeichnen konnte, komplettierte den ersten Abschnitt der Erforschung. Doch: „Die Arbeit geht weiter.“


Das ist auch die Meinung von Hilke Osterwald, Vorsitzende des Vereins Gedenkstätte KZ Engerhafe e.V. Auch sie sieht noch Potential zur Fortsetzung der Arbeit in und für die Gedenkstätte. Osterwald machte in ihrer Moderation der Veranstaltung deutlich, dass es der Landkreis Aurich war, der anregte, den Blick auch auf die ausländischen Zwangsarbeiterinnen in Ostfriesland zu richten. Dafür dankte sie Landrat Olaf Meinen, der an diesem Tag ein Grußwort sprach, indem er berichtete, welche Form von Kommunikation zum Thema „Fremde“ es auch gibt. Er habe am selben Morgen eine verstörende Mail bekommen, in der er mit Blick auf den Strom von Flüchtlingen gefragt wurde, warum „diese Affen“ überhaupt ins Land kämen?

Im Ausstellungsraum im ersten Obergeschoss des historischen Steinhauses, das nun Teil der Gedenkstätte geworden ist

Einen eindrucksvollen Einblick in die Befindlichkeit einer Familie, deren Vater im Lager ermordet wurde, gab Ini Ringersma-van der Weij. Die Niederländerin betonte, wie wichtig die Arbeit des Gedenkvereins für ihre Familie sei. Zudem zeigte sie sich glücklich über die regelmäßigen Einladungen zu den Gedenkveranstaltungen in Engerhafe. „Wir kommen gerne – und das seit vielen Jahren“, sagte van der Weij dem voll besetzten Plenum im Gulfhof Ihnen. Besonders sei für sie, dass sie stets mit offenen Armen empfangen würden.

Herbert Müller bei seiner Ansprache, links an der Wand eine seiner frühen Arbeiten zum KZ Engerhafe

Herbert Müller erinnerte noch einmal an die erste Zeit, als er versuchte, gemeinsam mit seinen Schülern Licht in das Dunkel der namenlosen Toten zu bringen,. Das war Mitte der 80er Jahre. Aufmerksam war er auf das Thema aufmerksam geworden durch die Vorarbeit des Lokalhistorikers Martin Wilken. Als er sah, dass es keinerlei Hinweis auf die Namen der Toten gab, erarbeitete er mit seinen Schülern Modelle für eine Gedenkstätte. Doch das war damals nicht gewollt.

Er habe dann als Künstler begonnen, auf der Basis der Zeitzeugen-Gespräche, die Wilken geführt hatte, Zeichnungen zu entwickeln, um das Vergessene wieder in Erinnerung zu rufen. 1988 entstand eine erste Reihe von Aquarellen. „Ich habe damals gedacht, dass es, 43 Jahre nach dem Krieg, viel zu spät für diese Arbeiten ist. Da hatte ich mich geirrt.“ Denn dann begann mit der Gründung des Vereins die eigentliche Arbeit. Müller stellt seine frühen Arbeiten derzeit in einem Raum der Gedenkstätte aus und dokumentiert damit auf emotionale Weise den Beginn der Gedenkstätte.

Die Eröffnung der Gedenkstätte, die in einem gemeinsamen Haus mit Räumen der lutherischen Kirchengemeinde untergebracht ist, wurde begleitet von einem Chor aus Engerhafe, der Lieder einer früheren Gedenkveranstaltung ausgewählt hatte, darunter das „Lied von den Moorsoldaten“.