88 Tasten geteilt durch vier

Loga. Wer hat sich da wohl besser amüsiert? Das Publikum oder die vier Pianisten? „Piano Panorama“ heißt das Format, das bei den Gezeitenkonzerten zum zweiten Mal in der Evenburg und den Räumen der benachbarten Vorburg stattfand. Das Format beruht auf dem Prinzip: je zwei Musiker sind stationär je zwei Räumen zugewiesen. Das Publikum pendelt dazwischen.

Gar nicht so einfach, ausreichend Platz zum Spielen zu haben: Daria Parkhomenko, Kiveli Dörken, Daniel Seng und Annika Treutler an einem Steinway. Bilder: Karlheinz Krämer

In diesem Jahr waren drei Pianistinnen und ein Pianist eingeladen worden: Kiveli Dörken, Daria Parkhomenko, Daniel Seng und Annika Treutler. Alle vier, so stellte der künstlerische Leiter der Gezeitenkonzerte, Matthias Kirschnereit, fest, seien keineswegs Gipfelstürmer, sondern Höhenflieger. Zwei der Pianisten – Seng und Treutler – sind mittlerweile selber als Dozenten an Musikhochschulen tätig.

Und noch einmal: das Pianisten-Quartett aus einer anderen Richtung gesehen

Dass alle vier Pianisten ihre musikalische Meriten haben, wurde schnell deutlich. Die Programme der jeweils halbstündigen Mini-Konzerte waren durch die Bank hochgradig anspruchsvoll – sowohl was die interpretatorischen, als auch die technischen Voraussetzungen angeht. Alle Vier zeigen am Instrument ein mitreißendes Temperament und ein kraftvolles Spiel. „Vielversprechende junge Musiker“, nannte Landrat Matthias Groote die Solisten.


Kiveli Dörken spielte mit enormen Druck drei Klavierstücke aus dem Nachlass Franz Schuberts, die sie mit zwei kleineren Stücken von Josef Suk aus dessen op. 30 von 1909 eindrucksvoll einrahmte. Zwischen den beiden Komponisten liegen rund 100 Jahre, doch der generelle Tenor der hier zum Ausdruck gebrachten emotionalen Befindlichkeiten lässt sie aneinander rücken und verbindet sie.

Daria Parkhomenko hatte mit George Enescus „Suite Nr. 2“ mit dem Titel „Die Glocken klingen“ ein eindrucksvoll perlendes viersätziges Werk ausgewählt, das recht individuelle komponiert war, expressive Momente ebenso enthielt wie leicht lyrische Anklänge, manchmal etwas massig wirkte. Diesem insgesamt sehr abwechslungsreichen Stück fügte Parkhomenko Prokofjews Klaviersonate Nr. 3 hinzu, energiegeladen und virtuos, unter den Händen der jungen Pianistin aber völlig mühelos und leicht.

Hochleistungssport auf dem Klavier: Daniel Seng mit Chopin

Daniel Seng hatte sich für Chopins zwölf Etüden op. 25 entschieden und entfaltete hier wahre Meisterschaft in der Darstellung der hochrangigen Miniaturen, von denen der Pianist und Komponist Leopold Goldowsky einst sagte, sie seien „als Tonstücke in Etudenform allgemein als eine künstlerische Höchstleistung im Gebiet der mechanisch-technisch wertvollen, wie geistig-inhaltlich bedeutenden Klavierliteratur anerkannt …“ Die Hände Sengs flogen wie Schatten über die Tasten und vollbrachten wahre Wunder in der adäquaten Darstellung der kurzen Stücke.

Die Anspannung ist verflogen

Den Höhepunkt erreichte die Präsentation allerdings bei Annika Treutler, die Schumanns „Fantasie C-Dur“ op. 17 vorstellte und dies in einer großartig souveränen Manier tat. Das mächtige dreisätzige Werk ist mit allerhand beziehungsreichen Worten Schumanns recht wohl versehen und soll demzufolge die Klage um seine Braut Clara darstellen. Deren Vater hatte sich gegen eine Verbindung der beiden ausgesprochen. Schumann litt also an Liebeskummer. Aber das Werk ist mehr als eine bloße Leidensgeschichte. Sie ist komplex aufgebaut, mit komplizierter Rhythmik versehen, inhaltsreich – ein Meisterwerk eben. Schön, dass ein derartiges Juwel an diesem Tag zu hören war!

Austragungsort von Piano Panorama: die Evenburg und ihre Vorburg