1200 Besucher bejubelten Hope & Co.
Esens. Irland stand im Mittelpunkt des 26. Konzertes der Gezeiten in der St. Magnuskirche in Esens. Die Kirche war mit 1200 Besuchern komplett ausgebucht. Es habe sogar noch eine Warteliste gegeben, sagte Landschaftspräsident Rico Mecklenburg, der die Veranstaltung eröffnete und angesichts des Andrangs bekundete: „Uns gehen die großen Kirchen aus.“
Das Programm und die Ausführenden waren allerdings auch Garanten für ein volles Haus. Violinist Daniel Hope, in diesem Jahr zum siebten Mal bei den Gezeiten zu Gast, hatte sein Ensemble „AIR“ mitgebracht und die Devise „Irish Roots“ ausgegeben. Geboten wurden nicht nur irische Traditionals, sondern auch Musik von Komponisten, die mit der Grünen Insel zu tun hatten, dorthin übersiedelten oder deren Musik dort besonders geschätzt wurde. Dadurch ergab sich ein ungewöhnlicher Mix ungleicher Beiträge, die aber wunderbar zusammengehalten wurden durch die Moderation von Hope.
Der Violinist hatte dazu Musikerkollegen eingeladen, die ungewöhnliche Begabungen aufweisen. Dazu zählte etwa Simos Papanas, der als Geiger nicht nur Konzertmeister eines griechischen Orchesters ist, sondern auch Professor für Mathematik. Schlagwerker Michael Metzler beherrsche, ebenso wie Lautenspieler Emanuele Forni, Dutzende Instrumente, betonte Hope. Cellist und Harfenist Nicola Mosca müsse nur selten in die Notenblätter schauen, er habe alles im Kopf. Und Cembalist Markellos Chryssicos ist ein bekannter Dirigent und auf Barockopern spezialisiert.
Dieses Sextett demonstrierte nachdrücklich seine Qualitäten und nutzte allerhand kleine Tricks, um das Konzert für die Besucher kurzweilig zu gestalten. So kam es anhand zweier Cembalosonaten von Scarlatti zu einem Wettstreit zwischen Hope und Papanas, wer denn wohl mit seiner Violine am schnellsten spielen könne. Auch eine Manier in der Aufführungspraxis, aus jedem Stück nur einen Satz zu spielen, demonstrierten Hope & Co unter Verwendung dreier Stücke von Vivaldi. Das Zusammenziehen mehrerer Stück ließ sich bei den Traditionals besonders gut und temperamentvoll zeigen. Und auch die Manier, Tanzstücke jeweils anzukündigen, ehe sie gespielt werden – „damit jeder auch weiß, welche Schritte er zu tanzen hat“ – spielten Hope und AIR durch. Eine Suite von Johann Sigismund Kusser aus dem 18. Jahrhundert setzte Michael Metzler entsprechend in Szene.
Hilfreich war die Moderation von Hope. Kleine Anekdoten, Hinweise zur historischen politischen Situation auf der Insel und gesellschaftliche Gepflogenheiten verbanden sich bei ihm zu einem höchst unterhaltsamen Ganzen. Wie die Verwicklungen zwischen italienischen Komponisten, die nie in Irland waren und doch auf die Playlist des Abends kamen, soll hier an einem Beispiel gezeigt werden. Ansonsten sei auf das höchst informative Programmheft verwiesen.
Antonio Vivaldi war selber nie im Norden, aber seine Musik war dort beliebt und wurde gerne gehört. Vor allem das Konzert „L’Estro Armonico“ wurde sehr populär und erhielt nach seiner Opuszahl die Bezeichnung „Mr. Vivaldi’s Fifth“. Das Publikum in Esens konnte sich dann umgehend davon überzeugen, welch dynamische, hinreißende Wirkung „Vivaldis Fünfte“ in der Besetzung durch AIR hat.
Mit einer zweiten Zugabe war dann nach drei Stunden das Konzert beendet. Und der Applaus traf ein Ensemble, das bestens aufgelegt war und schon den ganzen Abend von der Bühne heruntergestrahlt hatte. Es erklang ein wehmütiges Abschiedslied des blinden irischen Harfenisten des 18. Jahrhunderts, Turlough O’Carolan.