Glasklar und offensichtlich

Weener. Kammermusik – diese hohe Kunst in kleiner Besetzung wurde im 30. Konzert der „Gezeiten“ in der Georgskirche zu Weener geradezu zelebriert. Das legendäre Stamitz-Quartett spielte und gestaltete einen Abend, der allein der tschechischen Musik gewidmet war. Das 1985 gegründete Ensemble zeigte einen derart souveränen Umgang mit dieser Musik seiner Heimat, dass es ein einzigartiges Vergnügen war, ihnen zu lauschen – obwohl die Entstehung der Musik oft genug von Tragik begleitet war.

Einen guten Blick auf das Podium hatten die Besucher des Gezeitenkonzertes in der Georgskirche zu Weener. Bilder: Karlheinz Krämer

Und so baute sich das Programm dann auch von ernst bis heiter auf. Immer aber war es eine derart „klassische“ Form der Interpretation, dass sie als Referenzwerk hätte dienen können. Da gab es kein Zögern, kein Vertun – alles schien glasklar und offensichtlich. Das Quartett erschien wie eine verschworene Gemeinschaft, jede Rolle war klar, jeder Griff saß. So eine perfekte Form des Zusammenspiels ist kein Zufall, sondern zeugt von langer Gemeinschaft und einem Miteinander im Sinne des Ganzen.

Es spielten: Bohuslav Matoušek, Josef Kekula, Jan Pěruška und Petr Hejný

In dieses Ensemble konnte sich der ebenso erfahrene Matthias Kirschnereit im Quintett A-Dur von Anton Dvorak mühelos einfügen. Er agierte am Klavier ebenso souverän wie die Streicherkollegen, die das im Anschluss mit Schulterklopfen und zustimmendem Nicken quittierten. Die Einheit der musikalischen Interpretation war nicht nur gesichert, sondern in ihrer Qualität erweitert.

Bohuslav Matoušek, Matthias Kirschnereit und Josef Kekula. Im Hintergrund Künstlerbetreuerin Berit Sohn, die für den Pianisten blättert

Der Abend begann mit Janaceks Streichquartett Nr.1, das in allen vier Sätzen „con moto“ bezeichnet war. Diese innere Bewegung und Bewegtheit führte nun allerdings nicht zu lähmendem Gleichklang, sondern ließ enormen Reichtum an Facetten erkennen. Das steigerte sich bei Smetanas intimer Autobiographie und zeigte dramatische Elemente, denn Smetana erlitt dasselbe Schicksal wie Beethoven. Er ertaubte.


Dagegen stand Dvoraks Quintett mit seiner Überfülle reizvoller Themen wie ein Monolith da, der sich stolz und selbstbewusst präsentiert. Dvorak nutzt volkstümliche Elemente und verschmilzt sie zum lebendigen Ganzen seiner Musik. Die fünf Musiker gaben sich diesem sprudelnden Lebensgefühl ganz hin – und wurden vom Publikum verstanden. Stürmischer Beifall. Eine kurze Reprise als Zugabe. Vorbei! Man hätte gerne noch länger zugehört.