Gedankliche Abstraktionen

Emden. Das 33. Konzert im Rahmen der Gezeiten brachte eine Komponistin und zwei Musiker in die Kunsthalle, die sich auf Fragen der Vermittlung bestens verstehen. Dies zu beherrschen, ist für das Format des Komponisten-Porträts immer besonders wichtig. Denn der Musikschöpfer soll etwas über seine spezielle Kunst berichten und musikalische Beispiele dafür geben. Mit dem Engagement der Komponistin Konstantia Gourzi hatte der künstlerische Leiter der Gezeitenkonzerte, Matthias Kirschnereit, eine besonders glückliche Hand bewiesen.

Im intimen Rahmen des Atriums der Kunsthalle stellte sich Konstantia Gourzi mit den Musikern Nils Mönkemeyer und William Youn im Komponistinnen-Porträt vor vollem Haus vor. Bilder: Karlheinz Krämer

Denn die gebürtige Griechin, die seit 1987 in Deutschland lebt und arbeitet, besitzt ein besonderes Talent für die Möglichkeiten, ihre Methodik und die Inhalte ihrer Kompositionen verständlich zu machen. Zudem brachte sie mit Nils Mönckemeyer (Viola) und William Youn (Klavier) auch noch zwei Top-Stars der Musikszene mit, denen Gourzi das Programm des Abends auf den Leib komponiert hatte. Kirschnereit selber, der das Konzert eigentlich moderieren wollte, war zwar erkrankt, aber der organisatorische Leiter der Gezeitenkonzerte, Raoul-Philip Schmidt, führte sicher durch das Programm.

William Youn, wie auch Nils Mönkemeyer zum dritten Mal beim Gezeiten-Festival dabei, spielte unter anderem ein Werk für Klavier und Tonband

Konstantia Gourzi hatte „Whispers – Musikalische Gedichte für die Natur“ mitgebracht, die ausdrücklich keine vertonten Kopien der Realität sind, sondern Gedanken zum Nachdenken über die Natur und ein Appell zu ihrem Verständnis. So fragt Gourzi bei ihrem Opus 85 „Wind Whispers“ für Klavier solo weniger danach, wie sich das Wispern des Windes anhören könnte, sondern mehr danach, „was der Wind mit uns macht“.

Der Bratscher Nils Mönkemeyer spielte mit William Youn unter anderem einen heiteren „Love-Song“

Diese Form der gedanklichen Abstraktion durchzieht ihre kompositorische Welt. Was dabei herauskommt, ist für den Hörer ein vielschichtiges Erlebnis, das die klanglichen Möglichkeiten der Instrumente bis an die Grenze austestet – etwa, wenn sie Klangschalen auf die Klaviersaiten setzt oder mit speziellen Klöppeln Saiten im Korpus anschlägt. Das macht Konstantia Gourzi ganz dezent, denn lärmendes Hantieren ist ihre Sache nicht. Zwar werden Viola und Klavier hin und wieder kraftvoll eingesetzt, aber insgesamt wirkt dies dann mehr akzentuierend als bedrängend.

Konstantia Gourzi mit dem organisatorischen Leiter der Gezeitenkonzerte, Raoul-Philip Schmidt, der den Abend moderierte

Bei „Seven views from a Window“ für Viola solo und präpariertes Klavier hätten ihr Arbeiten von Marc Chagall vor Augen gestanden, dessen schwebende Gestalten sie daran erinnern, dass dies ein Hinweis auf Gravitationslosigkeit sein könne. Das habe sie zu allerhand kompositorischen Ideen animiert – ein gelber Mond, Rauch, der aus einem Schornstein aufsteigt, ein Hahn, der sich in der Luft befindet. Schon dabei kommt ihr feiner Humor zum Tragen. Bei „A love song“ bricht er dann ganz durch, denn sie hat nicht an Zwischenmenschliches gedacht, sondern an die „Liebe zu Granatäpfeln“.

„Melodies from the sea“ beendeten einen Abend, der ebenso unterhaltsam wie lehrreich war. Und auch hier ging es nicht darum, das Blasen eines Wals in Musik umzusetzen, sondern die Idee eines Meereslebewesens in die Köpfe der Besucher zu pflanzen und sie dadurch zum Nachdenken anzuregen.