Ostfriesische Identität in Musik gegossen

Bunderhee. Endspiel der Gezeitenkonzerte im Friesenpferdegestüt Brümmer in Bunderhee. Die
Reithalle ist für 1500 Besucher zubereitet. Das Konzert beginnt mit Mozart. Die übersichtliche
Sinfonie G-Dur KV 318 steht auf dem Programm. Es spielt das Junge Philharmonische Orchester
Niedersachsen (JPON) unter der Leitung des freundlichen und zugewandten Daniel Beyer. Gelegenheit, für die jungen Musiker, sich warm zu spielen.

Einmal im Jahr ist der Polderhof Treffpunkt von Konzertbesuchern, die das großräumige Gelände füllen. Bilder: Karlheinz Krämer

Dann kommt der erste Höhepunkt. Das wunderbare, aber anspruchsvolle Klavierkonzert C-Dur, KV Matthias Kirschnereit, gerade erst von einer Corona-Erkrankung genesen, spielt mit
geschmeidiger Eleganz. Das Allegro maestoso ist ein Auftakt nach Maß. Das Andante ein
Hochgenuss voll spannungsvoller Ruhe, wundervollen Harmonien, delikater Vollkommenheit. Das
abschließende Allegro – ein Traum der tänzelnden Noten. Das junge Orchester ist bestens
disponiert. Daniel Beyer strahlt, lobt, umarmt mit den Augen seine Musiker, umarmt real den
Solisten. Später wird er erklären, dass es dem Pianisten gar nicht gut ging. Kirschnereit ließ sich
indes nichts anmerken. Irgendwann erzählte er einmal, dass er sich in einer anderen Sphäre
befindet, wenn er konzertiert. „Elvira Madigan“ hat von dieser immensen Konzentrationsleistung
profitiert.

Dirigent Daniel Beyer mit Orchester, und Matthias Kirschnereit am Klavier
Selten kann man das Spiel eines Pianisten derart im Detail beobachten wie auf den großen Leinwänden in der zum Konzertsaal umgewandelten Reithalle des Polderhofs

Nach der Pause wird das Hören beschwerlicher. In bester Absicht hat man große Lautsprecher installiert,
um auch den Besuchern hinten im Raum reichen Hörgenuss zu übermitteln. In den vorderen Reihen wirkt sich diese Verstärkung eher lästig aus, gerade wenn Blechbläser, Pauken und sonstige Percussion ins
Spiel kommt. Tschaikowskis Ouvertüre zu Romeo und Julia, diese brillante Kostbarkeit, die das
junge Orchester auch genauso edel spielt, wird zum Prüfstein für die Ohren.

Harmonierten prächtig miteinander: der Maestro und seine jungen Musiker

Von den vier Polowetzer Tänzen erklingt leider nur einer. Allerdings wird das sofort verständlich,
als Daniel Beyer erklärt, dass man für das Einstudieren des gesamten Programms gerade mal zwei
Tage gehabt habe. Eine unglaubliche Leistung des jungen Orchesters, das in Leer probte – jeweils
neun Stunden pro Tag
.
Zum Schluss verliert auch die Akustik an Bedeutung. Auf dem Programm steht die Suite aus
„Pirates of the Caribbean“ von Klaus Badelt. Und diese Filmmusik ist einfach ein attraktiver
Abschluss eines an musikalischen Erlebnissen reichen Abends. Erweitert wird dieser durch zwei
hinreißende Zugaben: Es erklingt der „Tanz der Komödianten“ aus Smetanas „Die verkaufte Braut“
und dann – quasi als „Rausschmeißer“ – die Schnellpolka „Ohne Sorgen“ von Josef Strauss. Das
Ergebnis: ein strahlendes Orchester, ein begeisterter Dirigent, der sich liebevoll vor seinen
Musikern verbeugt, und ein Publikum, das kaum zu beruhigen ist.

Das Orchester jederzeit im Blick hatte das Publikum in der Reithalle, deren rüchwärtiger Spiegel die Zuschauerzahl noch einmal verdoppelt

Um das Festival abzurunden, stellte der Gastgeber des Abends, Helmuth A. Brümmer, seine
Mitarbeiter vor, die es geschafft haben, fristgerecht den gesamten Polderhof picobello herzurichten.
Auch die Mitarbeiter des Tammenshofes, neuer Caterer der „Gezeitenkonzerte“, finden sich auf der
Bühne wieder und werden lebhaft beklatscht. Und natürlich wird auch dem Gezeiten-Team ein
dickes Lob zuteil.

Die Gezeitenkonzerte seien, so stellt Kirschnereit in einem kurzen Grußwort fest, ein Identifikationsfaktor für Ostfriesland. „Alle wollen dabei sein!“ Dieser letzte Abend in Bunderhee belegte, dass das tatsächlich so ist.