Grandioses Konzert auf der Schuke-Orgel
Emden. Nach Jahren. Endlich. Die Schuke-Orgel in der Neuen Kirche erklingt wieder konzertant. Im Rahmen des Musikalischen Sommers in Ostfriesland spielte Christian Schmitt die Schönklingende glanzvoll mit Verve, Intensität und Spaß. Und man stellt mit freudigem Erinnern fest, welch kraftvolle Stimme die Orgel entwickeln, wie geschmeidig sie reagieren kann. Zugleich regt sich das Bedauern, dass diese aussagekräftige Stimme so selten außerhalb des Gottesdienstes zu hören ist.
Christian Schmitt erweckte sie nun zu fülligem Leben – mit einem Programm, das ambitioniert war und sich zwischen Barock und zeitgenössischer Zeit bewegte. Im Mittelpunkt stand – Johann Sebastian Bach. Um ihn herum hatte Schmitt, ein Organist von internationalem Ruf, Komponisten gruppiert, die mit dem Großmeister zu tun hatten: Mendelssohn – als seinem Wiederentdecker, Liszt – als einen, der Bach-Kompositionen bearbeitete, ebenso wie Widor. Die versprochenen „Festlichen Orgelklänge“ waren auch durch die Vielfalt der Beiträge zugesichert.
Schmitt selber fühlte sich, wie er selber sagte, zurückversetzt in die Zeit seiner Ausbildung. Damals habe er eine Orgel von 1962 gespielt. Die Schuke-Orgel in Emden stamme von 1958 und erinnere ihn an diese ersten Jahre, denn sie verfüge über keinerlei technische Hilfsmittel, die bei modernen Orgeln heute gang und gäbe sind. Der Organist muss manuell registrieren. Offenbar war das aber kein Problem für Schmitt, der sich ruhig und mit Bedacht dieser Aufgabe unterzog. Das Ergebnis war durchaus spektakulär.
In Mendelssohns „Sonate für Orgel Nr. 4“ wurden die Orgelklänge in ganzer Fülle ausgebreitet – bis hin zu einem Allegro, das fast die gesamte Orgeldisposition erforderte. Widors „Méditation“ aus der Orgelsinfonie Nr. 1 wurde unter den Händen von Schmitt zu einem reinen Seelenstück, ebenso wie Liszts „Andante“ über einen Bachchoral oder die „Abendstille“ von Fritz Lubrich, die auf dem Lied „Der Mond ist aufgegangen“ von Matthias Claudius beruht und zu inniger Empfindung Anlass gab.
Höhepunkt des Abends war „Toccata und Fuge“ d-Moll BWV 565 von Bach – die berühmte, berührende Musik in ganzer brachialer Direktheit und Schönheit. Es war ein intensives Klangerlebnis, dessen Dynamik Schmitt lebhaft forcierte, ohne in eine unziemliche Eile zu verfallen. Ein anderes ungewöhnliches Stück war das „Varhany-Solo“ aus der „Glagolitischen Messe“ von Janacek. Ein etwas „verrücktes“ Stück, wie Schmitt sagte, für ihn aber bedeutsam, denn er werde die ganze Messe, ein 41-minütiges Werk für Doppelchor, Orchester, Solisten und Orgel, bei den diesjährigen „Proms“ in London spielen (28. August in der Royal Albert Hall). Varhany ist übrigens der tschechische Begriff für Orgel.
Als Zugabe hatte Schmitt das letzte Werk des 1971 verstorbenen französischen Organisten und Komponisten Marcel Dupré ausgewählt: das souverän meditative Andante „Souvenir“, das dieser als Beerdigungsmusik komponiert hatte. Fazit: Ein grandioses Konzert mit viel zu wenigen Besuchern.