„Wir nehmen uns die Freiheit!“

Norden. Sie machen alles, worauf sie „Bock haben“! Das klingt entschieden, und es kommt von zwei Frauen, denen man diese Entschlossenheit abnimmt. Frauke Stenger und Edda Liebermann sind Musikerinnen, die unter dem Namen „Edda & Flute“ firmieren. Und sie, die zunächst im Trio spielten, seit 2020 als Duo auftreten – haben in den letzten drei Jahren ein Konzept entwickelt, das ankommt. Die Konzertakkordeonistin Edda und die Flötistin Frauke verknüpfen nämlich auf intelligente Weise Musik und Literatur miteinander.

Frauke Stenger und Edda Liebermann vor dem Kamin im Haus der Bürgerstiftung Norden

Ihr aktuelles Programm heißt „Dichterinnenliebe“. Darin geht es um romantische Liebe, um Mutterliebe, Heimatliebe und Lebenslust. Zitiert werden Texte von Malerinnen, Musikerinnen und natürlich Dichterinnen. Dazu gesellt sich Musik von Robert Schumann, Max Raabe, aber auch von Tom Waits oder Hildegard Knef. Und damit alles musikalisch zusammenpasst, wird kräftig arrangiert. Das ist die Aufgabe von Edda Liebermann, die sich dafür Zeit nimmt. „Solch ein Arrangement zu erstellen, bedeutet nämlich unheimlich viel Arbeit.“ Ihre Partituren sind von Hand geschrieben und so ausführlich, „dass Edda meistens drei Notenständer nebeneinander benötigt“, meint Frauke Stenger lächelnd. Der leise Spott ihrer Kollegin ficht die Akkordeonistin aber nicht im mindesten an.

Wie stellen die beiden Musikerinnen ihre Programme überhaupt zusammen? Es gibt ein Thema. „Dann schauen wir, welche Stücke wir schon im Repertoire haben und entscheiden dann, was zum Thema passt“, sagt Frauke Stenger. Die Texte werden dann in ähnlicher Weise zusammengetragen. Die Flötistin ist passionierte Leserin und findet immer geeignete Literatur. Bei der „Dichterinnenliebe“ sind es zum Beispiel Paula Modersohn-Becker oder Erich Kästner, die eine Rolle spielen.

Ein anderes Programm – „Aufbruch“ – konfrontiert Gedichte und Prosa von Joseph von Eichendorff, Mascha Kaleko, Clemens Brentano und Astrid Lindgren mit Musik zwischen romantischem Wanderlied bis zu Klezmer. Denn – das muss man wissen – in dem Programm geht es um eine Weltreise mit vielen Stationen.

„Im Winter“ ist ein Programm, das „Edda & Flute“ in diesem Jahr häufiger spielen werden. Kompositionen barocker und romantischer Meister treffen auf Texte von Hans Christian Andersen, Alexander Puschkin, ETA Hoffmann, Sven Regener. Um die Werbung für dieses Programm starten zu können, initiierten Edda und Frauke einen Fototermin. Beide kleideten sich ganz winterlich in dicke Jacken, Mützen und festes Schuhwerk, holten passende Accessoires dazu und posierten mit Schlitten und Schlittschuhen für den Fotografen. Was man den Bildern allerdings nicht ansieht: sie wurden bei 40 Grad im Schatten aufgenommen. „Es war wirklich unglaublich heiß!“

Passend zu ihrem Programm „Im Winter“ gab es das PR-Bild mit Schlittschuhen. Unbequem für das Duo: das Foto entstand bei 40 Grad im Schatten

Ihre Programme vermitteln nicht allein Heiterkeit, sondern durchaus auch ernstere Gedanken. „Wir wollen diese Tiefe haben – und sie auch halten. Sie soll aber nicht in Depression ausarten“, sagt Frauke Stenger. „Nein, den ganzen Abend nur Beklemmung – das geht gar nicht“, fügt Edda Liebermann zustimmend hinzu. Beide legen aber viel Wert darauf, dass die Programme hoffnungsvoll enden. „Und wir haben viele Blumen im Strauß – und nicht nur Rosen“, versichern beide. Zudem nähme man sich die Freiheit, immer wieder Neues auszuprobieren.

Frauke Stenger ist gebürtige Hamburgerin, wuchs aber im Rheinland auf, wo sie an der Folkwang-Hochschule Essen auch ihre künstlerische Ausbildung im Hauptfach Flöte erhielt. Über eine Mutterschaftsvertretung kam sie intensiver mit der Pädagogik in Berührung. Sie studierte noch einmal und ist jetzt im Schuldienst am Ulrichsgymnasium in Norden tätig, wo sie Musik unterrichtet.

Etwas anders verlief der Berufsweg bei Edda Liebermann. Die gebürtige Norderin wollte Musiklehrerin werden, bekam nach der Ausbildung sofort eine Stelle an der Musikschule in Norden. Da war sie 23 Jahre alt. „Ich fühlte mich zu jung und wollte mehr“, sagt sie selber. Also ging sie an die Hochschule für Künste in Bremen und legte nach fünfjähriger Pendelei schließlich ihr Konzertexamen ab.

Hatte Frauke Stenger immer wieder in Bands gesungen und ihr Betätigungsfeld auch in den Bereich der Neuen Musik hinein erweitert, so spielte Edda Liebermann im Oldenburger O-Ton-Ensemble, beim Bremer Theater, oder sie tourte mit der Krimi-Autorin Sandra Lüpkes durch ganz Deutschland. Die heutige Zusammenarbeit empfinden beide als ideal. Dies vor allem, weil sie sich flexibel betätigen können. Neben ihren Konzert-Engagements werden sie für Taufen, Hochzeiten, runde Geburtstage angefragt. Sie spielen Klassik, aber auch anderes bis zu Volksliedern. Frauke ist für die Melodieführung zuständig und singt, Edda legt – ebenso virtuos – das harmonische Fundament. Die Zusammenarbeit zwischen ihnen, die sich über ihre Kinder kennengelernt haben, ist so erquicklich, „weil wir uns gegenseitig ausreichend Raum zur Entfaltung lassen“.

So nimmt sich Frauke Stenger die Freiheit, Texte auch mal solo vorzutragen – ohne musikalische Untermalung. „Denn auch die Stille macht etwas mit den Zuhörern.“ Besonders wichtig sei auch das Timing von Musik und Text, dann reagieren die Besucher ihrer Konzerte geradezu andächtig.

Diese Ergriffenheit hat Frauke Stenger schon häufiger erlebt. So hat sie mit ihren drei musikbegeisterten Töchtern in der Corona-Zeit zunächst Wohnzimmerkonzerte veranstaltet. „Wir haben gespielt und dabei einfach das Fenster geöffnet.“ Später gaben sie bei der Friedenskirche in Norden kleine Konzerte – mit viel Zuspruch und sehr wertschätzenden Reaktionen.

► Das Duo „Edda & Flute“ ist erreichbar unter www.edda-flute.de