„Nichts Vergleichbares in Ostfriesland“

Großheide. Die Archäologen der Ostfriesischen Landschaft haben auf einem Grünland in der Gemeinde Großheide Spuren einer Wehranlage aus dem Mittelalter gefunden. Sie erstreckte sich über ein Areal von 20 mal 28 Metern.

Kaum noch zu erahnen: Hier endete die Pfostenreihe, die ursprünglich die Palisade einer mittelalterliche Wehranlage trug. Für Grabungstechnikerin Amelie Meenken (ganz links) beginnt jetzt die Arbeit im Büro, um die Funde auszuwerten. Weiterhin auf dem Bild: Dr. Sonja König, Bürgermeister Fredy Fischer und Bauamtsleiterin Martina Meyer. Bild: Sebastian Schatz, OL

Der Fund, den die Archäologen als „außergewöhnliche Struktur“ bezeichnen, besteht aus einer dicht gesetzten Reihe von Pfostengruben mit einem Durchmesser von 50 bis 80 Zentimeter, wie Dr. Sonja König, Leiterin des Archäologischen Dienstes, sagt. Die Pfosten bildeten eine Palisade, deren Zweck an dieser Stelle des ostfriesischen Binnenlandes aber noch nicht klar ist. Dass es sich um ein militärisches Bauwerk handelte, schließt Sonja König aus. So etwas sei eher im Süden Ostfrieslands oder in Küstennähe zu erwarten. Um ein Schutzgebäude, das Herrschaftsgebiete voneinander abgrenzt, scheint es sich auch nicht zu handeln. Für sie ist nur sicher: „Bisher haben wir in Ostfriesland nichts Vergleichbares gefunden.“

Es gibt auch keine Holzfunde in den Löchern, sondern nur Schatten von den Setzungen der massiven Pfosten. Allerdings wurde das Fragment eines Kugeltopfes mit Tupfenleiste gefunden. „So ein Topf war kostbar und befand sich sicher im Haushalt eines Menschen, der vermögend war.“

Als man bei den Grabungen dann noch einen Zinnlöffel mit einem Rosenstempel fand, der aus dem 15. / 16. Jahrhundert stammt, wurde deutlich, dass es auf dem Gelände zwei Phasen gegeben haben muss. Die eine gehört ins 14., die andere ins 15./16. Jahrhundert.

Auf der Fläche wurden weiterhin fünf Brunnen gefunden, deren Nutzung im 14. Jahrhundert endete, dazu Gräben und einige Gruben. Derzeit arbeitet Grabungstechnikerin Amelie Meenken daran, die Funde auszuwerten. Sicher könne man zum jetzigen Zeitpunkt davon ausgehen, dass es rege Handelstätigkeit auch an dieser Stelle gab. Denn es sei nachweisbar, dass Butter aus Ostfriesland bis nach Rom exportiert wurde. Dazu Vieh und Getreide. Der um 1220 einsetzende Städtebau hätte diesen Handel nötig gemacht. „Die Städte mit ihrem wachsenden Zuzug an Menschen konnten diese nicht ausreichend ernähren. Also musste man importieren.“

Die Ausgrabungen auf diesem Neubaugelände fanden seit 2022 großflächig statt. Dabei wurde zunächst die obere Erdschicht mittels Bagger abgetragen. Dabei bewegte man enorme Erdmassen. Davon zeugen die Hügel auf dem Gelände, die mittlerweile grün überwachsen sind. Die Grabungsstellen werden zeitnah wieder geschlossen. Ob das Gelände dann gleich bebaut werden kann, vermochten der Bürgermeister der Gemeinde Großheide, Fredy Fischer, und Bauamtsleiterin Martina Meyer, nicht zu sagen. Gekauft habe die Gemeinde das Gelände schon vor längerer Zeit, aber die wirtschaftlichen und finanziellen Unsicherheiten hielten Bauherren derzeit von schnellen Zugriffen ab.

Im Bereich von Großheide wurden bisher nur wenige Ausgrabungen durchgeführt, sagt Sonja König. „Daher liegen auch nur wenige Kenntnisse über die Bodendenkmäler dort vor.“ Dass das Grünland überhaupt in den Blick der Archäologen geriet, sei dem geschuldet, dass in den 50er und 60er Jahren ein Lehrer auf dem Gelände zahlreiche Oberflächenfunde sammelte. Diese wurden als mittelalterlich eingestuft, aber sie waren nicht in der jeweiligen Fundsituation dokumentiert worden. Demzufolge waren sie für de Archäologen wertlos. Sonja König: „Archäologen sind weniger hinter Fundstücken her als hinter Bodenstrukturen.“