120 Minuten zum Staunen
Emden. Es war ein wunderschönes, anspruchsvolles Programm, das die Violinistin Elena Meyer (Jahrgang 2003) und der Pianist Lysander Burleigh (Jahrgang 2004) in der Neuen Kirche Emden präsentierten. Sie folgten damit einer Einladung der „Freunde und Förderer der Klassik e.V.“. Der in diesem Jahr gegründete Verein hat sich die Aufgabe gegeben, zur Pflege und Verbreitung der klassischen Musik beizutragen. Vorsitzender Mohammad Ghassan Al-Halabi setzte in seiner Begrüßung die Erwartungshaltung hoch, sprach von der Musik als Friedensstifterin und forderte jeden einzelnen dazu auf, durch Musik zum Weltfrieden beizutragen.
Die beiden jungen Musiker begannen mit zwei Violinsonaten von Beethoven und Schubert, wobei die erste dankenswerterweise in gemäßigtem Tempo angegangen wurde. Die von der Musikwissenschaft als „unhomogen“ bezeichnete Sonate A-Dur Nr. 6 von Beethoven verfügt in der Tat über einen sperrig klingenden ersten Satz, während der zweite vom Duo als empfindsames Adagio gespielt und beim dritten die tänzerischen Aspekte sehr schön herausgearbeitet wurden. Der Auftakt dürfte schon als gelungen gezeichnet werden.
Schuberts Violinsonate Nr. 3 in g-Moll wurde zupackender, kraftvoller angegangen und brachte einen schönen Schwung in das Konzert. Solchermaßen eingeführt, ahnte das Publikum indessen wohl nicht, was nach der Pause kommen sollte. Da ging es nämlich höchst virtuos und technisch brillant zu. Elena Meyer spielte Bachs berühmte „Toccata und Fuge in d-Moll“, die man eigentlich als Orgelstück kennt, in der Transkription von Bruce Fox-Lefriche für Violine solo so herzerfrischend und fingerfertig, dass es das Publikum nicht mehr auf den Sitzen hielt.
Zuvor hatte Moderatorin Uschi Petersen-Meyer, Leiterin der Musikschule „Der Musicus“, das Musikstück mit „acht Minuten zum Staunen“ angekündigt. Da kann man nur ein bekräftigendes „In der Tat!“ anfügen. Aber auch Lysander Burleigh hatte musikalisch Glanzvolles beizutragen – etwa mit Claude Debussys „La Soirée dans Grenade“ (Ein Abend in Granada), in dem maurische und spanische Klänge ein lebhaftes Bild der geschäftigen Stadt zaubern. Mit „Paysage“ (Landschaft) verkehrte sich das Bild zu einer ruhigen, atmosphärisch dichten Augenblicksbeschreibung. „Wie in einem Gemälde, in dem der Moment gebannt wird“, kommentierte Lysander Burleigh die Komposition selber.
Das jazzig angehauchte, schmissige „Caprice“ von Joey Roukens (Jahrgang 1982), das Elena Meyer wieder solo spielte, führte dann direkt zum Schlussstück, Ysayes „Caprice d’aprés l’etude en forme de Valse de Saint-Saéns“. Und hier konnten die beiden dann noch einmal ihre Fähigkeiten auf ihren Instrumenten ausleben: Technik, Virtuosität und Ausdruck stimmten – und rundeten einen wahrhaft erlebnisreichen Gang durch die Musikgeschichte. Die Zugabe war mit Brahms‘ „Ungarischem Tanz“ Nr. 5 gut gewählt und hinterließ schwungvolle Champagner-Laune.