Eintauchen in die musikalische Tiefsee
Emden. Zum zweiten Konzert der Saison hatte Kulturevents Emden in das Festspielhaus am Wall eingeladen. Und es wurde ein höchst spannender Abend, der sich allein der tschechischen Musik widmete. Zu Gast war die Philharmonie Pilsen, ein mächtiger Klangkörper, der ein großes Bläser-Ensemble mitbrachte – aber auch ein wunderbare Harfe. Star der ersten Konzerthälfte aber war die Cellistin Luka Coetzee (Jahrgang 2004), ein aufstrebender Stern am vielschichtigen Himmel des klassischen Konzertlebens, wenn man den Worten von Kulturevents-Chefin Kerstin Rogge-Mönchmeyer folgen möchte, die Orchester, den Dirigenten und die Solistin begrüßte.
Diese schwebte elfengleich leichtfüßig in den Saal, ein zierliches Wesen in verwehendem Taubenblau. Coetzee beherrschte das Cello souverän und setzte das berühmte Konzert in h-Moll Opus 104 von Antonin Dvorak mit kraftvoller Haltung, aber auch mit großer Eleganz um. Der Einsatz der linken Hand erfolgte mit auffallend intensivem Vibrato. Jeder Ansatz des Bogens wurde zu einem klangstarken Eintauchen in die musikalische Tiefsee des exquisiten Musikstückes. Dvorak ist gebürtige Böhme, schrieb das Konzert in New York, Luka Coetzee ist Kanadierin, das Orchester kommt aus Tschechien und Dirigent Jan Schultsz, der die Musiker mit energischer Bestimmtheit und geschmeidigem Stil durch die Partitur geleitete, wurde in den Niederlanden geboren. Diese nationale Vielfalt gestaltete das hinreißende Stück zu einem Erlebnis, das mit begeistertem Applaus gefeiert wurde.
Allerdings wurde der vorwitzige Versuch, einen Zwischenapplaus nach dem 1. Satz einzuschieben, mit einer energischen Geste des Dirigenten unterbunden. Es kommen doch noch zwei Sätze, vermittelte dieser pantomimisch. Er wurde verstanden. Und so herrschte gespannte Ruhe bis zum kraftvoll sich steigernden Abschluss.
Coetzee machte ganz offensichtlich mit ihrer bemerkenswerten Leistung nicht nur auf die Konzertbesucher Eindruck, sondern auch das Orchester applaudierte ihr unverhohlen wohlwollend zu. Als Zugabe spielte sie ein Lied – und blieb dabei dem tschechischen Programm des Abends treu, denn sie wählte nochmals Dvorak.
Die zweite Programmhälfte war dem Jubilar des Jahres 2024 gewidmet: Bedřich Smetana (1824 bis 1884). Aus dem sechsteiligen Zyklus „Mein Vaterland“ erklangen drei sinfonische Dichtungen, darunter auch die „Moldau“, immer wieder ein hinreißender Ohrwurm, der gebührend gefeiert wurde – allerdings erst am Schluss, denn das beeindruckte Publikum ließ die drei Musiken Vyšehrad, Šárka und Vitava vorsichtshalber – man wollte den Dirigenten ja nicht noch einmal erzürnen – ohne Zwischenapplaus über die Bühne gehen, ehe es zum Schlussapplaus ansetzte. Schultsz gab den ohnehin starken Stücken durch präzise Akzentuierungen und betonte Laut-Leise-Effekte mächtigen Schwung.
Wie schön, einmal ein Orchester zu erleben, das so intensiv die Musik des eigenen Landes in den Vordergrund stellt und dabei eine derart sympathische Wirkung hinterlässt.