Religion als ethisches Konstrukt
Emden. Das Thema der Tagung „Die intellektuellen Linien von den Sozinianern bis Kant“, die am 17. Oktober in der Johannes a Lasco Bibliothek begonnen hat, verfolgt einen weiten Bogen, der sich über fast zwei Jahrhunderte spannt. Vor dem Hintergrund der Aufklärung gehen rund 20 Wissenschaftler und einige Gäste Fragen der Aufklärung nach. Die komplexe Struktur des Themas ist verknüpft mit historischen Personen, deren Namen – bis auf Ausnahmen – heute wohl nur noch in wissenschaftlichen Kreisen geläufig sind.

Sozinianismus ist das Thema der Bibliothek, seit der wissenschaftliche Vorstand, Professor Dr. Kestutis Daugirdas, 2017 in Emden die Leitung übernahm. Man versteht darunter eine Bewegung, die die Trinität Gottes anzweifelt, eine rationale Argumentation befürwortet und moralische Aspekte der Religion hervorhebt. In der Ankündigung der Tagung wird deshalb auch von einer „Aufklärung vor der Aufklärung“ gesprochen, die sich im Sozinianismus etabliert und somit auch Strömungen wie die aufkommenden Naturwissenschaften berücksichtigt. Um Moral und Ethik in der Religion geht es auch bei Kant (1724 bis 1804). Dieser vertrat die Auffassung, dass Ethik keine Religion voraussetze, jedoch „unausweichlich“ zu ihr führe.

Daugirdas unternahm es in seinem Eröffnungsvortrag, die Rolle der Sozinianer als Vorläufer der Aufklärung darzustellen und deren strukturelle Denkrichtung bis zu Kant zu verfolgen. In der anschließenden Diskussion ging es dann etwa um die Frage, ob Kant sich mit sozinianischer Lektüre beschäftigt hat, oder ob sein Denken wirklich originär gewesen sei.
Eröffnet hatte Daugirdas das Programm mit dem Hinweis auf eine eineinhalbjährige Vorbereitungszeit der interdisziplinär angelegten Tagung. Dabei sei er überrascht worden von den schnellen Rückmeldungen der angesprochenen Referenten. Diese kommen aus München, Tallinn, Rotterdam, Zürich, Gotha, Münster und Emden. Professor Dr. Michael Beintker, ebenfalls Referent der Tagung sowie Mitglied in den Gremien der Bibliothek, übernahm die Vorstellung seines Wissenschaftskollegen und moderierte die Diskussion. Der Theologe gab sich dabei betont locker und klassifizierte die Veranstaltung als eine „Roadmap-Tagung“.