Über Abweichler und Kometenzeichen

Emden. Am dritten Tag der Tagung „Die intellektuellen Linien von den Sozinianern bis Kant“ referierten zwei wissenschaftliche Mitarbeiter der Johannes a Lasco Bibliothek.

Das Interesse an der Tagung war auch am dritten Tag ungebrochen. Bilder: Wolfgang Mauersberger

Sozinianisches Gedankengut, wie es im 16. und 17. Jahrhundert aufkam, spiegelt sich auch im 19. Jahrhundert in den Lehrmeinungen einzelner Pastoren wider. Dr. Klaas-Dieter Voß hatte als Beispiel für solche unitaristischen Tendenzen den Bingumer Pastoren Johann Joachim Röling (1705 bis 1778) ausgewählt und per Aktenanalyse dessen theologischen Werdegang entschlüsselt („Socinianische Lehrsätze wider die Gottheit Christi“ – der Bingumer Pastor Johan Joachim Röling und sein heterodoxer Pietismus). Röling kam mehrfach mit der kirchlichen Obrigkeit in Konflikt, weil er sich immer stärker von zentralen Positionen seiner Konfession entfernte und deshalb sogar des Landes verwiesen wurde.

Röling hatte Zweifel an der Dreieinigkeit Gottes und der Göttlichkeit Christi, weil diese sich „verstandesmäßig nicht erklären lasse“, wie der Pastor selber argumentierte. Dass dabei schließlich eine Magd und die Frau des Schulmeisters als Zeugen aufgerufen wurden, die bestätigten, dass Röling diesbezügliche Argumentationen vorgetragen habe, erregte Heiterkeit im Tagungsplenum.

Hatte Akten untersucht, um entscheidende Phasen im Leben von Pastor Röling zu rekonstruieren: Dr. Klaas-Dieter Voß

Die Folge des Hin und Her von Beschuldigungen, Rechtfertigungsversuchen, Erinnerungslücken und wiederholten Vorwürfen war, dass der Gottesdienstbesuch stark zurückging. Dies scheint aber nicht dem Pastor gegolten zu haben, sondern der Reaktion seiner Vorgesetzten. Denn Röling verlagerte seine Arbeit zunehmend in Hauskreise, in denen der Pastor engagiert tätig war, bis man ihm dies offiziell untersagte. Der Pastor wurde schließlich der Pfarrstelle verwiesen, und ließ sich als Tabakhändler und Buchdrucker in Dornum und Nesse nieder. Seine mehrfachen Versuche, in Ostfriesland die Genehmigung zu erhalten, eine unitarische Gemeinde zu gründen, wurden zunächst abgelehnt. Als sie ihm schließlich doch erteilt wurde, fanden sich keine Mitglieder für die neue Gemeinde. Voß‘ Fazit: „Zur Gründung einer unitarischen Gemeinde in Ostfriesland ist es nie gekommen.“

Dr. Michael Weichenhan hatte seinen Vortrag reich bebildert

Dr. Michael Weichenhan ging in seinem Beitrag „Auf dem Weg zur zeichenlosen Natur. Grundlinien der Kometendeutung zwischen Stanislaw Lubienieckis „Theatrum Cometicum“ und Kants ,Allgemeiner Naturgeschichte und Theorie des Himmels’“ der Frage nach, ob uns die Natur durch derartige Himmelskörper ein Zeichen gibt? Dass Kometen als Unglücksbringer gelten, sei seit dem 1. Jahrhundert verbürgt, erläuterte Weichenhan. Aber ist es nicht vielmehr die Deutung durch den Menschen, die das Naturphänomen zum Zeichen umdeuten? Weichenhan verfolgte den Gedanken linear bei verschiedenen Denkern und schlug schließlich einen Bogen zum ersten Vortrag der Tagung, in dem es um die Geschichte einer Rekonstruktion der Religion aus der Ethik ging. Somit rundete sich die Tagung zu einem geschlossenen Gedankenkonstrukt.