Zu schön, zu glatt, zu perfekt

Emden. Eigentlich stimmte an diesem Konzertabend alles: ein renommiertes Orchester saß da im Festspielhaus am Wall, dazu kam ein inspirierender Dirigent, der gleich sein Talent als Moderator deutlich machte. Dann ein Solist, der ein ausgesprochenes Ass auf seinem Instrument ist. Auch das Programm hörte sich gut an: Tschaikowski, Haydn, Mozart – jeweils mit Perlen aus dem kompositorischen Werk.

Auf der neuen Bühne im Festspielhaus: die Westdeutsche Sinfonia unter Dirk Joeres. Bilder: Wolfgang Mauersberger

Und dennoch – es war alles zu schön, zu glatt, zu perfekt. Die Westdeutsche Sinfonia unter Dirk Joeres spielte ein Standard-Programm, dem es keineswegs an Glanz, aber ganz gewiss an Spannung mangelte. Alles floss dahin, nichts ließ wirklich aufhorchen, nichts ging ans Herz. Es fand sich auch nichts, über das man sich aufregen konnte – oder gar empören.


Vor wenigen Tagen wurde ein Walzer-Fragment gefunden und unzweifelhaft dem polnischen Komponisten Frederic Chopin als Autor zugewiesen. In einem Kommentar zu diesem Überraschungsfund war zu lesen, dass man sich glücklich schätzen könne, einmal etwas Neues präsentieren zu können – in einem Meer oft und immer wieder gehörter Kompositionen. Nur wird man 48 Takte von 80 Sekunden Spieldauer wohl nicht als etwas wirklich Neues klassifizieren können. Aber die Musikgeschichte bietet generell doch nun wirklich viel Anregendes, manchmal auch Anstößiges, Ungewohntes oder gar Anstrengendes. Und Joeres ist durchaus als fundamentaler „Musikvermittler“ bekannt. Da hätte man das Programm gerne etwas aufregender erlebt.

Aufmerksames Orchester unter einem selbstbewussten, erfahrenen Dirigenten

Dieser Ansatz aber ist etwas ins Hintertreffen geraten. Früher war es in Emden üblich, in den Konzerten jeweils ein modernes Stück zu erbitten, um das Publikum in kleinen Dosen mit neuerer Musik bekannt zu machen. Die Bestrebung, das Ohr an Ungewohntes zu gewöhnen, ist heute zurückgetreten. Man sollte durchaus wieder an diese Tradition anknüpfen – weil es der Sache letztlich gut tut.

Hatten richtig gut zu tun: die beiden Kontrabassisten des Orchesters

Abgesehen von diesen Überlegungen hatte die Westdeutsche Sinfonia ein Schokoladen-Programm zusammengestellt. Und da das Ensemble aus wirklich tollen Musikern besteht, wuchs insbesondere Mozarts Sinfonie Nr. 39 in Es-Dur zu einem prachtvollen Klanggebilde. Uwe Komischke zeigte beim Haydn Trompetenkonzert eine feinsinnige Leistung von großer Delikatesse, indem er seine Partie mit großer Eloquenz und der Fähigkeit zur kleinteiligen Intonation umzusetzen wusste. Indes – ein ganzer Abend Musik wie Schokolade schafft Überdruss.

Übrigens: Warum ist es in einem superneuen Haus nicht möglich, den Dirigenten mit einem Mikrophon auszustatten, wenn er zu den Stücken etwas sagen möchte? Die hinteren Reihen dürften kein Wort verstanden haben.