Harmonie wird hier zum Programm
Nesse. Das historische Steinhaus in Nesse hat am Freitag (29. November) den stimmungsvollen Rahmen für ein Konzert des Duos „Edda & Flute“ geboten. Das Gebäude ist seit drei Jahren in privater Hand, nachdem es 25 Jahre lang leer gestanden hatte. Im großen Saal können rund 50 Besucher Platz finden – und der Raum war voll besetzt. Das sei üblich, sagte Kai Nilson, der gemeinsam mit Franz Scheid Eigentümer, Sanierer und Bewohner des mehr als 600 Jahre alten Gebäudes ist.

Die beiden laden im Jahr zwei oder drei Mal Künstler zu sich nach Hause ein. „Meistens sind dann schon alle Plätze weg, ehe wir überhaupt Werbung machen können.“ Das liege daran, dass die Anwohner aus dem Dorf großen Anteil an den Geschehnissen nähmen und sich sofort für solche Veranstaltungen anmeldeten, berichtet Nilson.

So war es auch beim Konzert von Edda Liebermann und Frauke Stenger, die – ganz in Weiß gekleidet – mit einem Winter-Programm auftraten. Das besondere Konzept des Duos ist es, Wort und Ton eng miteinander zu verzahnen und die Musikstücke passgenau zum Text auszuwählen – oder auch umgekehrt. Vor allem aber setzen sie ihre musikalischen Mittel höchst wirkungsvoll ein. Denn Frauke Stenger trägt nicht nur die Texte vor, sondern singt auch – und sie hat eine ganz zauberhafte Stimme, die bis in die Höhe hinein klar ist, zugleich aber eine unglaubliche Wärme verbreitet.

In dem Raum im Erdgeschoss des Steinhauses trafen also die Musikerinnen auf ein erwartungsvolles Plenum. Und dieses Umfeld war mit brennenden Kerzen auf den tiefen Fensterbänken, kleinen, leuchtenden Sternen in den Fenstern, Äpfeln in großen Schalen und einem weihnachtlichen Schmuck auf dem Kaminsims hübsch gemacht worden, so dass die Besucher nicht nur etwas zu hören, sondern auch zu sehen bekamen. Der Kamin des Steinhauses ging übrigens mit den Jahrhunderten verloren. Doch Nilson und Scheid gelang es, in den Niederlanden einen passgenauen Ersatz aus dem 16. Jahrhundert zu finden, der nunmehr das Erdgeschoss schmückt. Überhaupt ist die Optik im Steinhaus bestechend.

Denn Nilson, der Architekt und Denkmalpfleger ist, und Franz Scheid haben Neues und Altes so wirkungsvoll aufeinander abgestimmt, dass sich eine große Harmonie ergibt. Schlichte Doppelglasfenster lassen historisches Bleiglas durchscheinen. Moderne Kunst teilt sich friedlich den Platz mit alten Fotographien und Gemälden. Möbel, die früheren Epochen entstammen, stehen einträchtig neben einer aktuellen Sofa-Garnitur. Dazwischen wuseln zwei unzertrennliche Dackel herum. Heinrich und August haben keine Berührungsängste und lassen sich von den Besuchern gerne streicheln. Alles ganz harmonisch.
Diese große Harmonie spiegelte sich auch im durchkomponierten Programm des Duos wider, weshalb gerade „Edda & Flute“ so ideal ins Steinhaus passen. Das beginnt mit dem „Winter“ aus den „Vier Jahreszeiten“ des Antonio Vivaldi und hört mit dem „Schneewalzer“, einem Tanzlied aus Kärnten, noch lange nicht auf. Da finden sich Melodien aus dem „Nussknacker“ Peter Tschaikowskys neben dem Kunstlied „Der Leiermann“ von Franz Schubert. Da stehen mazedonische, russische und ukrainische Volksweisen neben Bachs Arie „Bist Du bei mir“. Da steht ein russisches Märchen neben einer Passage aus Manns „Der Zauberberg“ – flüssig miteinander verbunden durch die Arrangements für Konzertakkordeon und Flöte.

Liebermann mit Konzertakkordeon

mit Klangschale
Edda Liebermann ist eine Meisterin im Spielen des schwergewichtigen Instrumentes. Ihre Finger wandern traumwandlerisch zwischen Tasten und Knöpfen. Sie spielt solistisch, gestaltet aber auch den Background in geschmackvoller Eleganz, untermalt Texte in feiner Modellierung der Tempi und der Lautstärken und zeigt sich ganz souverän im Miteinander der Stimmen. Frauke Stenger wiederum wechselt ganz natürlich zwischen Lesung, Gesang und Flötentönen hin und her.


Das Publikum spendete reichlichen Applaus, was dem Abend zwischen Winterstimmung und Winterfreuden einen ganz eigenen Zauber verlieh. Das Steinhaus aber blieb in seiner herben Schönheit Dreh- und Angelpunkt des Abends.